Da die Mehrheit der Weltbevölkerung ihre beunruhigende Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden von Millionen von Flüchtlingen, die einst normale Menschen mit einem normalen Leben waren, aufrecht hält, verschlechtert sich die Situation von Tag zu Tag. Die anhaltenden Konflikte und die abgründige Armut in den vier Ecken der Welt machen jeden Tag mehr Menschen zu Flüchtlingen, Migranten und Asylsuchenden.
Zum Beispiel ist es der Aufmerksamkeit vieler Menschen auf der Welt entgangen, dass im September dieses Jahres Behörden in der Demokratischen Republik Kongo das Feuer auf protestierende burundische Flüchtlinge eröffneten und 39 Flucht suchende Menschen töteten, darunter ein 10-jähriges Mädchen. Ironischerweise protestierten die Burundis, um nicht in ihre Länder zurückgeschickt zu werden, wo sie verfolgt und getötet werden könnten, aber die Welt schwieg.
Hinzu hat Ungarn, ein Land, das bereits für seine feindselige Haltung gegenüber Flüchtlingen bekannt ist, neue Gesetze eingeführt, die eine systematische Inhaftierung von Flüchtlingen ermöglichten. Seit Inkrafttreten des neuen Gesetzes sind neue Asylsuchende, darunter auch Kinder, gezwungen, in Schiffscontainern zu leben. Noch einmal schienen die meisten Menschen darüber zu schweigen.
Dann kam die Nachricht von zahllosen südsudanesischen Flüchtlingen, die in Uganda Sicherheit suchten, sich aber später wegen mangelnder Nahrung gezwungen sahen, nach Hause zurückzukehren; Oliver Wani war einer von ihnen, wurde aber im Südsudan getötet. Meistens endet es für Flüchtlinge mit dem Tod, wenn sie wieder in die Gefahr zurückkehren, von der sie geflohen sind. Dies wirft unweigerlich die Frage auf: Wie ist die Situation jener Menschen, die versuchen, diese Flüchtlinge dorthin zurückzuschicken, wo sie getötet werden könnten? Lasst euer Gewissen darüber urteilen.
Heute arbeitet die EU mit den libyschen Behörden zusammen, um Flüchtlinge aus Afrika südlich der Sahara, die über Libyen nach Europa fliehen, wieder zurück in ihre Herkunftsländer zurückzuweisen. Allerdings bedeutet eine Rückweisung bestenfalls in prekären libyschen Gefängnissen inhaftiert und schlimmstenfalls gefoltert, vergewaltigt, zur Zwangsarbeit gezwungen, versklavt oder getötet zu werden. Der UN-Menschenrechtsbeauftragte Zeid Ra'ad Al Hussein warnte vor solch einer Praxis: „Die internationale Gemeinschaft kann die unvorstellbaren Schrecken der Migranten in Libyen nicht länger ignorieren und vorgeben, dass die Situation nur durch Verbesserung der Haftbedingungen verbessert werden kann. Das Leiden der in Libyen inhaftierten Migranten ist eine Empörung für das Gewissen der Menschheit. Die Politik der Europäischen Union, die libysche Küstenwache beim Abfangen und Zurückbringen von Migranten im Mittelmeer zu unterstützen, ist unmenschlich.“
Aus diesen wenigen Beispielen geht klar hervor, dass es unbedingt notwendig ist, Menschen zu helfen, die vor Gefahren fliehen. Versuchen wir nun, die Situation aus der Sicht Europas zu sehen, die bei der Aufnahme von Flüchtlingen etwas zurückhaltend ist.
Europa hat eine schöne, tief verwurzelte Kultur, eine moderne Zivilisation und einen hohen Lebensstandard. Es ist möglich, dass diese Ordnung und Kultur von ankommenden Gruppen beeinflusst wird, die eine sehr unterschiedliche Kultur besitzen und vor allem nicht sehr gut ausgebildet sind. Aufgrund dieser Tatsache machen sie sich leider Sorgen über die Ressourcen Europas und möchten diese nicht mit den Millionen leidenden Menschen teilen. Letzten Endes haben sie die Sorge, dass sich Terroristen einschleusen könnten.
Keiner dieser Gründe oder irgendein anderer Grund kann jedoch rechtfertigen, Millionen von Frauen, Kindern und Männern in Gefahr zurückzulassen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die meisten dieser Menschen kurz vor dem Tod, Hunger, Folter oder sexuellem Missbrauch stehen, wenn wir ihnen nicht helfen. Es sollte auch angemerkt werden, dass Millionen von Europäern in der nicht allzu fernen Vergangenheit in der gleichen Verfassung waren und verzweifelt versuchten, eine verständnisvolle helfende Hand zu finden, die ihnen nach den Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg helfen würde.
Aber wie kann Europa dieses Dilemma lösen und dabei seine Zivilisation schützen? Es ist einfach, solange die notwendigen Ressourcen und Führungsfähigkeiten angewandt werden. Schließlich ist Europa ein Kontinent, der sich trotz der völligen Verwüstung durch den Zweiten Weltkrieg noch besser als zuvor aufgebaut hat. Angesichts der Wirtschaftskraft, der Managementfähigkeiten und der Erfahrung in Europa kann die Hilfe für Flüchtlinge kaum als Problem angesehen werden. Wie der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, im Jahr 2015 erklärte, ist die Wurzel des Problems „eine Frage der Menschlichkeit und Menschenwürde ... Wir müssen das Thema aus folgender Perspektive betrachten... Diese Asylsuchenden repräsentieren immer noch nur 0,11 % der EU-Bevölkerung. Im Libanon stellen Flüchtlinge 25% der Bevölkerung dar."
In der Tat sind der Libanon und die Türkei unvergleichlich ärmer als Europa und viel kleiner als die europäischen Länder zusammen. Dennoch beherbergt die Türkei mehr als 3,5 Millionen Syrer, und der Libanon fast 1,5 Millionen. Darüber hinaus gibt es in Europa große brachliegende Flächen, die für die Ansiedlung von Flüchtlingen genutzt werden könnten, eine Strategie, die bereits in vielen Ländern Europas erfolgreich angewandt wird.
Uganda ist ein weiteres Beispiel: Das Land gibt den Flüchtlingen Grundstücke und Rohstoffe, damit sie bei ihrer Ankunft ein eigenes Zuhause aufbauen können. Eine Studie hat gezeigt, dass diese Familien 220 Dollar Pro Jahr mehr zur lokalen Wirtschaft beigetragen haben als die, die keine Grundstücke erhielten. Außerdem zeigten Studien, dass für jeden Flüchtlingshaushalt, der Geld vom WFP (Welternährungsprogramm) erhielt, der Beitrag zur lokalen Wirtschaft mehr als 1.100 Dollar pro Jahr betrug. Laut dem Artikel des italienischen Journalisten Beppe Severgnini, das in den NYT erschienen ist, gibt es in Italien reichlich Land, das von der Ankunft der Flüchtlinge profitieren könnte.
Wir sollten uns auch daran erinnern, dass Vielfalt ein Segen ist, der zu schätzen gilt. Denken Sie darüber nach, wie langweilig das Leben wäre, wenn es nur eine einzige Rasse oder Ethnie auf der Welt gäbe. Glücklicherweise ist dies nicht der Fall und unsere Welt ist mit verschiedenen Kulturen, Zivilisationen, Sprachen und Farben gesegnet, die wir untereinander austauschen, voneinander lernen und genießen können.
Sicher sind dies keine dauerhaften Lösungen, aber sie sind notwendige Schritte, die wir als moralische Pflicht betrachten müssen. Die wahre Lösung besteht darin, die Heimat dieser armen Menschen sicher, komfortabel und modern zu gestalten. Dann wird niemand den Wunsch verspüren, sein Geburtsland zu verlassen, um unbekannte Reisen in unbekannte Orte zu unternehmen.
Adnan Oktars in „The Pioneer“ veröffentlichter Artikel:
http://www.dailypioneer.com/columnists/oped/returning-to-the-unknown.html