Als Bernard Lewis seine These mit dem Titel "Balkanisation des Nahen Ostens" im Jahr 1992 vorstellte, sagte er voraus, dass ein Trend, welcher die Welt im 20. Jahrhundert geprägt hatte, auch im neuen Jahrhundert sehr einflussreich sein werde. Das letzte Jahrhundert ging in die Geschichte als eine Zeit ein, in welcher der radikale Nationalismus Länder, Nationen und Regionen teilte.
Es ist natürlich, dass jeder sein Land liebt und seine eigene Nation schützen will. Doch der radikale Nationalismus, der das Recht des Menschen auf Leben verletzt und sich durch die Unterdrückung von anderen Macht verschafft, hat der Welt viel Leid gebracht. Mitteleuropa wurde in viele kleine Staaten unterteilt. Neue Grenzen wurden für den Balkan gezogen. Die Karte der Arabischen Halbinsel hat sich deutlich verändert. Die ehemalige Sowjetunion wurde in Dutzende neue Staaten aufgeteilt. Afrika, Südamerika und Fernostasien litten unter dieser neuen Weltordnung. Am Anfang des 20. Jahrhunderts betrug die Zahl der Länder 77, doch am Ende des 20. Jahrhunderts, wurden daraus etwa 200 Länder.
Eine große Mehrheit dieser Divisionen, war das Ergebnis eines blutigen Prozesses. Die Balkanvölker, die seit 500 Jahren vereint waren, begannen miteinander zu kämpfen. Millionen unschuldiger Leben waren verloren und viele mehr mussten ihre Häuser verlassen. Als Mitteleuropa in kleine Staaten geteilt wurde, legte es den Grundstein für den Zweiten Weltkrieg. Bürgerkriege und regionale Konflikte waren in Asien und Afrika aufgrund der Divisionen ständig präsent. Kriegsherren kontrollierten von nun an die Mehrheit dieser Konfliktgebiete.
Ein Massen- und Völkermord nach dem anderen folgten. Der Trend der Teilung nahm Millionen Leben. Eine Veränderung in dieser Größenordnung, brachte der Weltpolitischen Karte viele Probleme mit sich. Zuerst wurde Hass zwischen Schwestergemeinschaften gesät, die seit Jahren zusammenlebten. Diese Wirkung dauerte jahrzehntelang an. Als zweites folgten den Divisionen große Migrationswellen, bestehend aus Millionen von Frauen, Kindern und älteren Menschen, die ihre Häuser verlassen mussten. Ein weiteres wichtiges Problem waren die unlösbaren Grenzstreitigkeiten. Künstliche Grenzen, die keine historische, geographische oder soziale Grundlage haben, wurden zu Konfliktgründen, welche die Länder oft in einen heißen Krieg schleppten.
Im indischen Subkontinent passierten Ereignisse, die denen in vielen anderen Teilen der Welt ähnelten. Die Bengal-Region, die oft als Konfliktzone bezeichnet wird, war nicht vor allzu langer Zeit, nämlich vor 300 Jahren, eines der reichsten Regionen der Welt. Es hatte eine Wirtschaft mit 90 Milliarden Dollar und eine 150 Mio. große Bevölkerung. Diese Zahlen entsprachen 20% des weltweiten Bruttosozialprodukts und 25% der Weltbevölkerung. Es herrschte eine Zivilisation mit vielen architektonischen Bauten, die Reichtum symbolisierten, wie z.B. der Taj Mahal. Das babylonische Reich brachte Ordnung, Frieden und Reichtum in die Region. Im 18. Jahrhundert wurde das Reich in kleine Staaten aufgeteilt und zerfiel.
Die Briten die vor einem Jahrhundert aus kommerziellen Gründen in die Region kamen, kontrollierten ab da an den indischen Subkontinent durch die Gründung kolonialer Regierungen. Diese Region blieb 200 Jahre britische Kolonie. Die Einheimischen wurden als Bürger zweiter Klasse und sogar als unzivilisierte, primitive Wesen betrachtet und einer unvorstellbaren Grausamkeit unterworfen. Während der Besatzungskriege der Briten, verloren hunderttausende Inder ihr Leben. Millionen unschuldiger Menschen starben an Hunger in den 4 kontrollierten Hungersnöten. Alle Ressourcen einer riesigen Kultur, die auf einer Fläche von Millionen Quadratkilometern verteilt war, wurden von den Kolonisten beschlagnahmt.
Nach dem 2. Weltkrieg erlebte diese Halbinsel eine weitere Spaltung. Das Land wurde als Pakistan, das eine muslimische Mehrheit hatte und Indien, das eine hinduistische Mehrheit hatte, geteilt. Wie jede Division des 20. Jahrhunderts verlief auch Indiens Division blutig. Mehr als eine Million Menschen verloren ihr Leben, 15 Millionen Menschen wanderten aus. Nach der Unabhängigkeit gab es zwischen diesen beiden Ländern, drei große Kriege. Die Abreise der Briten war so blutig, wie ihre Ankunft in jede Region, die sie besetzten. Im selben Zeitraum verloren 3 Millionen Pakistani ihr Leben im Bürgerkrieg. Ost-Pakistan wurde unter dem Namen Bangladesch vom Rest des Landes geteilt.
Die imperialistischen Mächte hinterließen stets Konfliktzonen, mit einem nie endenden Krieg. Diese Konflikte in den jeweiligen Regionen, von denen sie sich physisch zurückzogen, waren ein Weg um diese Bereiche unter ihrer Kontrolle zuhalten. Bis heute blieben die Unruhen in der nördlichen Kaschmir Region. Die muslimisch besiedelte Region wurde den Hindus, während der Division überlassen. Es war offensichtlich, dass solch eine Entscheidung zu Gewalt führen wird.
Indien und Pakistan kämpften 1947, 1965 und 1999 wegen Kaschmir. Ein Referendum, das die Konflikte leicht beenden könnte, wurde nie verwirklicht. Mit dem Einmischen des riesigen nördlichen Nachbars China, wurde die Region nun in drei de facto-Regionen unterteilt.
Ende der 80er Jahre entstand ein neuer Konflikt in der Region, in der 70.000 Zivilisten starben, etwa 8.000 Zivilisten werden vermisst. Es wird angenommen, dass die vermissten Personen am ehesten in Massengräbern begraben liegen, die täglich entdeckt werden. Es ist unmöglich, dass Gewalt dieser Größenordnung von allein entsteht. Die Atmosphäre des Konflikte ist die wichtigste Strategie derer, die andere Länder aufteilen wollen. Auf diese Weise können sie hinter verschlossenen Türen, Waffen verkaufen, die Wirtschaft und das Land kontrollieren. Am wichtigsten ist ihnen, dass sie die Region weiter nutzen können, um ihre eigenen Ziele zu erreichen. Mittlerweile sind es wie immer unschuldige Menschen, die während dieses Prozesses leiden, womit die Energie einer Nation, in endlosen Konflikten erschöpft sein wird.
Gewalt nimmt die Region ein. Was muss getan werden, um Frieden in die Region zu bringen, vor allem nach Kaschmir? Es muss eine rationale und gemäßigte Kultur verfolgt werden, in der alle Völker als erstklassige Bürger behandelt werden, anstatt ein Politikverständnis, basierend auf konventionelle Interessen. Im Fall von Kaschmir ist es unrealistisch an ein System zu denken, in der Pakistan nicht involviert ist. Pakistan ist im Gegensatz zu Indien, Teil einer großen Familie der muslimischen Welt. Muslime sind auch die geistlichen Wächter von Kaschmir. Indien ist eines der Länder, welche die islamische Welt als Freund und Bruder betrachtet. Die Freundschaft Indiens mit der muslimischen Welt, basiert auf wirtschaftliche und politische Interessen.
Egal wo, wird ein militärischer Einsatz nie zu einer Lösung führen, sondern Blutvergießen. Das was die Länder stärker macht und den Menschen Wohlstand bringen wird, sind die auf Freundschaft basierten Allianzen. Solch eine Allianz verschafft eine abschreckende Kraft, die keine Waffe bieten kann. Pakistan und Indien brauchen keine neuen Waffen, sondern neue Allianzen. Es ist die Herrschaft des Friedens in der Region, welche den Menschen Wohlstand bringen wird und nicht Konflikte.
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Adnan Oktar’s Zeitungsartikel, veröffentlicht auf “Kashmir Reader” und “Riyadh Vision”