Das Gewissen muss von Allah eingegeben sein, wie es in der Sure asch-schams heißt:
Und einer Seele, und was sie ebengestaltet hat, Und ihr eingegeben hat ihre Schamlosigkeit und ihre Gottesfurcht. Es hat schon Erfolg, wer sie läutert, Und es ist schon gescheitert, wer sie verdeckt. (Suratu-Schams 91:7-10)
In diesen Versen sagt Allah, dass er der Seele Schamlosigkeit (fudschur) und Gottesfurcht (taqwa) eingegeben hat, d.h. mit dem Bewusstsein dafür versehen hat, was richtig für sie ist. Das Wort „fudschur“ bedeutet „auf sündhafte Weise handeln, ungehorsam sein, ein Abweichender zu sein, zu lügen, sich erheben, sich vom Rechtschaffenen abwenden, Schwierigkeiten machen, gutes Verhalten ablehnen, das Gegenteil von taqwa.“ Das Konzept von fudschur beinhaltet alle die negativen Aspekte der menschlichen Seele. Unsere Seele hat zwei Aspekte, fudschur, die Quelle des Bösen, und das Gewissen, das vor dem Bösen schützt.
„An-nafs“ ist ein im Quran häufig verwendeter Ausdruck. Es gibt keine direkte Entsprechung im Deutschen, aber man kann ihn mit „die Seele“ wiedergeben. Im Quran hat das Wort die folgenden Bedeutungen: das Wesen von etwas, sein eigenes Ich, Seele, Herz, Begierde, Ursprung und Lager von Verlangen und Zorn, das Bewusstsein, die antreibende Kraft im Menschen. Hier werden wir uns besonders auf die antreibende Eigenschaft der Seele konzentrieren. Die spirituelle Kraft, die den Menschen veranlasst, eine bestimmte Tat zu tun oder eine bestimmte Entscheidung zu treffen, ist die Seele. Dieser Aspekt der Seele wird in vielen Quranversen erwähnt. In diesen Versen wird die Seele (das Selbst) als Quelle der Verderbtheit und des Bösen im Menschen bezeichnet.
Als die Brüder des Propheten Joseph (a.s.) ihn aus Neid loswerden wollten, sagte ihr Vater Jakob (a.s.):
Und sie kamen, und auf seinem Hemd war falsches Blut. Er sagte: ‚Vielmehr habt ihr euch selbst etwas eingeredet, also schönes geduldiges Ausharren, und Allah ist der um Beistand zu Ersuchende gegen das, was ihr schildert.’ (Sura Jusuf 12:18)
Die „niedere Seele“ kann die Menschen dahingehend irreführen, dass sie glauben, etwas Schlechtes sei stattdessen gut.
Ein anderer Fall, in dem diese Wirkung der Seele hervorgehoben wird, kommt in der Sure TaHa vor. Samiri war einer der Leute von Moses (Musa), der während Moses kurzer Abwesenheit ein ganzes Volk fehlleitete, als er aus Goldschmuck, den er von den Leuten gesammelt hatte, ein Kalb machte. Als Moses zurückkehrte und Samiri befragte, antwortete er:
Er sagte: ‚Ich habe etwas erblickt, was sie nicht erblickt haben, da nahm ich eine Handvoll von der Spur des Gesandten und habe sie hingeworfen, und genau so hat es mir meine Seele eingeredet.’ (Sura TaHa 20:96)
Ein anderes im Quran erwähntes Ereignis betraf die beiden Söhne Adams (a.s.). Einer von ihnen tötete den anderen aus Neid und bereute es dann. Allah spricht im Quran darüber:
Da brachte ihn seine Seele zum Töten seines Bruders, und er tötete ihn, und er wurde einer von den Verlierern. (Suratu-l-Ma’ida 5:30)
Der Entschluß, jemanden zu töten, stimmt nie mit der Natur des Menschen überein. Aber eine gewisse Eigenschaft in der Seele überredet manche Menschen und lässt es ihnen attraktiv erscheinen. Das gilt ebenso für solche schlechte Taten wie Diebstahl, unmoralisches Verhalten, Lügen, Eifersucht und Eitelkeit.
Die obigen Verse zeigen, wie die negative Überzeugungskraft der Seele wirkt. Der Sohn des Propheten Adam, die Brüder des Propheten Joseph und Samiri begingen ganz unterschiedliche Übeltaten. Das Gemeinsame all dieser Taten ist aber, dass sie durch die Seele des Übeltäters ausgelöst wurden. Ihre Seelen überredeten sie, diese Verbrechen zu begehen, die sie ihnen als gut erscheinen ließen, während sie in Wirklichkeit von ihren Seelen fehlgeleitet und zum Bösen hingezogen wurden.
Was ist die Quelle der Kraft der Seele? Die Antwort ist klar aus der Sure asch-schams zu entnehmen, wo es heißt, dass „fudschur“ (alles Böse) in die Seele eingegeben ist. Hier kann die folgende Frage auftauchen: Wenn den Seelen der Menschen Böses eingegeben ist, folgt daraus nicht, dass wir von jedermann schlechtes und unmoralisches Verhalten zu erwarten haben?
Hier müssen wir uns an eine andere Eigenschaft der Seele erinnern. Die negative Eingebung ist nicht die einzige Kraft in der Seele. Liest man die Verse 7-10 in der Sure asch-schams (Sure 91) nochmals, so wird klar, dass der Seele auch eingegeben ist, sich vor dem Bösen zu hüten. Das heißt dass sowohl positive als auch negative Kräfte in der Seele wirken. Die Seele jedes Menschen verfügt sowohl über eine Kraft, die ihn zum Böse veranlasst und es ihm als gut erscheinen lässt, als auch über eine positive Kraft, die ihn veranlasst, sich vor dem Bösen zu hüten und das Gute und Schöne zu wählen. Diese positive Kraft ist das Gewissen. Was die Menschen voneinander unterscheidet ist, dass sie ihr Leben entweder in Befolgung ihres Gewissens oder in Befolgung der negativen Seite der Seele leben.
Für viele Menschen ist der Satan nur eine mythologische Vorstellung. Es ist ihnen nicht klar, wie er auf die Leute einwirkt und welche Rolle er im Alltagsleben spielt. In diesem Buch kann nur auf einige der Eigenschaften des Satans und der negativen Macht hingewiesen werden, die er gegen das Gewissen zum Einsatz bringt. Dennoch sollte es als Hilfe genügen zu begreifen, dass der Satan nicht ein ausgedachtes Wesen ist, sondern eine negative Kraft, die den Menschen genau beobachtet und versucht, ihn zum Fehlverhalten hinzuziehen.
Der Satan war Allah ungehorsam und warf sich nicht vor Adam nieder. Wegen seines Neides und seiner Überheblichkeit beschloss er, die Menschen, die er als niedriger als er selbst ansah, von Allahs Weg wegzuführen. Im Quran wird gesagt, dass der Satan den Herzen falsche Wünsche eingibt, versucht, die Menschen an Allahs Dasein und am Jenseits zweifeln zu lassen und ihnen das Leben dieser Welt als besonders anziehend erscheinen lässt. Während das Gewissen des Menschen ihn immer zum Rechten leitet, leitet der Satan den Menschen immer zum Falschen.
Aber der Satan tut das nicht offensichtlich. Er hat verschiedene Methoden, die er auf betrügerische Weise anwendet. Zum Beispiel flüstert er einem Menschen ein: Du bist ein guter Mensch, Du sagst, Du bist Muslim. Wenn es das Paradies gibt, wirst Du in es hineingehen! Vielleicht beachtet gerade dieser Mensch das regelmäßige Gebet oder andere Gebote Allahs nicht, aber der Satan lässt ihn sicher sein, dass es genügt zu sagen: Ich bin Muslim! Er lässt ihn das Jenseits nicht eindeutig ableugnen, sondern lässt ihn ein der Glaubensverweigerung nahes Leben mit der Bezeichnung „Islam“ führen. Wichtiger ist, dass dieser Mensch, der nicht erkennt, dass dies ein absichtlicher Plan des Satan ist, um ihn in die Hölle zu bringen, die Einflüsterungen des Satans für seine eigenen Gedanken hält. Hier sollte man nicht vergessen, dass das Gewissen einem immer aufträgt, den Islam richtig zu leben, aber die meisten Menschen folgen den Worten des Satan statt ihrem Gewissen, weil es den Zwecken der eigenen Seele besser passt.
Hier nun verstehen wir die Wichtigkeit des Gewissens während der andauernden Prüfung in dieser Welt. Bei jedem Geschehen werden sowohl das Gewissen als auch der Satan sich melden, die Quelle aller persönlichen Eigeninteressen, Leidenschaften und des Bösen. Beide rufen den Menschen zu ihrem jeweiligen Weg. Wer zwischen diesen beiden unterscheiden kann und seinem Gewissen folgt, gewinnt die Zufriedenheit Allahs.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der, dass der Satan den Menschen bis zum Tod nicht in Ruhe lässt oder sogar über den Tod hinaus bis zu dem Zeitpunkt, zu dem seine Seele in die Hölle kommt. Das darf man nie vergessen. Ebenso lässt aber auch das Gewissen den Menschen bis zum Tod nicht allein und verlangt von ihm, jede Tat, die er zu tun hat, so zu tun, dass er im Jenseits in das Paradies gelangt.
Wer sich trotz seines wahrhaften Gewissens dafür entscheidet, seiner Seele zu folgen, ist ein Freund des Satans geworden, weil er den Weg des Satans und nicht den Weg Allahs gewählt hat. Hinsichtlich solcher Menschen hat Allah befohlen:
Und wer schwachsichtig ist gegenüber der Erinnerung an den Allerbarmer, für den haben Wir einen Teufel bestimmt, und er ist für ihn ein Kamerad. (Suratu-Zukhruf 43:36)
Wie der Satan (Schaitan) sich jenen annähert, die ihm folgen und wie der Satan und seine Gefährten enden, wird im Quran mitgeteilt:
Er sagte: ‚Und weil Du mich hast abweichen lassen, ganz bestimmt lauere ich ihnen auf, bei Deinem richtigen Weg, Dann, ganz bestimmt, komme ich ihnen von vor ihnen und von hinter ihnen und von ihrer Rechten und von ihrer Linken, und Du wirst die meisten von ihnen nicht dankbar finden.’ Er sprach: Geh hinaus von hier, würdelos, verjagt. Bestimmt, wer dir von ihnen folgt, ganz bestimmt fülle Ich die Hölle mit euch allesamt. (Suratu-l-A’raf 7:16-18)
Dem Voranstehenden nach könnte man den Eindruck gewonnen haben, der Schaitan sei eine wichtige Kraft, die man meiden muß. Man sollte aber auch wissen, dass die Kraft des Schaitan außerordentlich schwach ist. Allah teilt in einem Quranvers mit:
Diejenigen, die glauben, kämpfen auf dem Weg Allahs, und diejenigen, die den Glauben verweigern, kämpfen auf dem Weg der Abgötter, also kämpft mit den Schutzfreunden des Teufels, die List des Teufels ist ja schwach. (Suratu-Nisa 4:76)
Der Satan ist kein wesen, das eine eigene Kraft hätte, die es gegen Allahs Willen gebraucht. Der Satan ist vielmehr eine negative Kraft, der Allah zu existieren erlaubt hat, um den Menschen zu prüfen. Allah hat den Satan und die „niedere Seele“ geschaffen, um diejenigen, die glauben von denen zu unterscheiden, die zweifeln. Der Satan selbst weiß, dass er ganz schwach und machtlos gegenüber aufrichtigen und gewissensbezogenen Menschen ist. Er kann sie niemals unter seine Kontrolle bringen, und alle seine Listen ihnen gegenüber schlagen fehl. Dies ist an verschiedenen Stellen im Quran so gesagt:
„Er hat keine Ermächtigung über diejenigen, die glauben und auf ihren Herrn vertrauen, Seine Ermächtigung ist über diejenigen, die sich mit ihm befreunden und diejenigen, die Ihm Mitgötter geben.“ (Suratu-Nahl 16:99-100)
„Er sprach: Geh, und wer dir folgt von ihnen, so ist ja die Hölle eure Vergeltung, völlige Vergeltung, Und versuche, aufzuhetzen, wen du kannst von ihnen, mit deiner Stimme, und bringe auf gegen sie deine Pferde und dein Fußvolk, und sei ihr Teilhaber an ihren Vermögensgütern und ihren Kindern und mache ihnen Versprechungen – und der Teufel verspricht ihnen nur Trug, Ja, Meine Knechte, - über sie hast du keine Ermächtigung, und dein Herr genügt als Sachwalter.“ (Suratu-l-Isra 17:63-65)Die Wahl zwischen dem Gewissen und der Seele ist für den Menschen eigentlich nicht schwer. Denn Allah hat den Menschen mit der Neigung geschaffen, damit zufrieden zu sein, der Stimme seines Gewissens zu folgen. Deshalb entspricht es der Natur des Menschen, dem din (der Religion) zu folgen und danach zu leben. Im folgenden Quranvers spricht Allah:
Also richte dein Gesicht zur Religion als Rechtgläubiger, die natürliche Weise Allahs, nach der Er den Menschen die natürliche Weise gab, - kein Umändern für die Schöpfung Allahs, dies ist die aufrechte Religion, aber die meisten Menschen wissen es nicht. (Suratu-rum 30:30)
Allah hat jedem Gewissen solche Gedanken eingegeben, so dass jedes Gewissen jedes Menschen Allah zufrieden stellen möchte. Es ist schwierig und elend für den Menschen, Taten zu begehen, die seinem Gewissen zuwider sind. Was ohne Betracht des Gewissens getan wird, verursacht Kummer des Herzens. Das Herz findet nur Ruhe bei der Erinnerung an Allah und dem Streben nach Seiner Zufriedenheit.
Dass es leicht ist, dem Gewissen zu folgen, wird an vielen Stellen im Quran gesagt. Es heißt dort auch, dass Allah denjenigen den leichten Weg zeigt, die nach Seiner Zufriedenheit streben:
… Allah möchte das Leichte für euch, und Er möchte nicht das Schwere für euch ... (Suratu-l-Baqara 2:185)
… und wer Allah fürchtet, für den macht Er es leicht mit seiner Sache … (Suratu-Talaq 65:4)
Und was den angeht, der glaubt und Rechtschaffenes tut, für den gibt es die Vergeltung des Besten, und wir werden ihm unsererseits Erleichterndes auftragen. (Suratu-l-Kahf 18:88)
Und Wir machen es dir leicht zu einer Erleichterung. (Suratu-l-A’la 87:8)
… Allah mutet keiner Seele zu, außer was Er ihr gegeben hat. Allah wird nach der Schwierigkeit Erleichterung geben. (Suratu-Talaq 65:7)
Also zusammen mit der Schwierigkeit gibt es ja Erleichterung, Zusammen mit der Schwierigkeit gibt es ja Erleichterung. (Suratu-l-Inschirah 94:5-6)