Wie wir gesehen haben, gibt es viele ökonomische Gründe, warum Ostturkestan für China von großer Bedeutung ist. Das Interesse dieses Landes für Turkestan reicht Tausende Jahre zurück, und die Region wurde häufig von China besetzt, entweder vollständig oder zum Teil.
Die letzte chinesische Besetzung, die noch heute existiert, fing um die Mitte des 18-ten Jahrhunderts an. Die zivilen Konflikte in Ostturkestan im 17-ten und 18-ten Jahrhundert zerstörten nicht nur die Einheit des Volkes, sondern schwächten den Staat selbst. Zur gleichen Zeit gelangen die Manchus in China an die Macht, und die Manchu-Dynastie begann. Während ihrer Herrschaft wurde Ostturkestan von zentral ernannten Gouverneuren und Bürokraten geleitet. 1911 wurde das Manchu-Imperium gestürzt und durch die chinesische Republik unter Sun Yat Sen, dem Führer der Kuomintang-Partei, ersetzt, und Ostturkestan wurde vollends versklavt.
Die Grausamkeit, die den Menschen von Ostturkestan durch das Kuomintang-Regime zugefügt wurde, führte zu einem Volks-Aufstand und einer Unabhängigkeits-Erklärung im Jahre 1931. Bis dahin vermieden die Muslime aus Ostturkestan jegliche Initiativen, die auf eine Sicherung der Unabhängigkeit abzielten, da sie sich der politischen Realitäten zu jener Zeit gewahr ware. Nicht nur China hatte ihr Augenmerk auf die Region gerichtet, sondern auch Russland wartete auf eine Chance um sie an sich zu reißen. Die Menschen aus Ostturkestan wussten hiervon (und von den Leiden, die die Russen den Muslimen in Westturkestan zugefügt hatten) und bevorzugten es aus diesem Grund, eher den Status Quo zu akzeptieren als in kommunistische Hände zu fallen. Dennoch lieferte die Unabhängigkeitsbewegung von 1931 die Muslime der großen Bedrohung aus, die sie gefürchtet hatten. China war nur imstande, die Bewegung mit Hilfe der Sowjetunion niederzuschlagen, und ein großer Teil der Region gelangte unter sowjetische Kontrolle.
Mao begrüßt seine Armee, nachdem die Kommunisten Beijing erobert hatten. |
Dieser interessante Ausgang war das Resultat eine Reihe von Entwicklungen: China realisierte, dass es nicht in der Lage war, den Ostturkestanaufstand alleine zu bezwingen, und unterzeichnete ein geheimes Abkommen mit der Sowjetunion. Als Folge erhielt es Waffen und Truppen von den Russen. Trotz dieses Schachzuges stellte es sich weiterhin als unmöglich heraus, den Aufstand niederzuschlagen. 1933 besetzte die Rote Armee Ostturkestan vom Land aus und schlug die muslimischen Truppen. Im Anschluss an mehrere Schlachten von 1934-1937 fand sich Ostturkestan de facto unter sowjetischer Herrschaft wieder. Die Grausamkeiten und Unterdrückung, die den Völkern der Sowjetrepubliken zugefügt wurden, suchten nun die Muslime in Ostturkestan auf. Die Rote Armee nahm Massentötungen vor, riss Moscheen ab und vergewaltigte sogar Frauen.
Mit dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges zogen die Russen ihre Truppen aus Ostturkestan ab. Als die nationalchinesische Regierung von Maos kommunistischen Guerillas in mehreren Teilen des Landes bezwungen wurde, floh sie nach Formosa (Taiwan), China fiel den Kommunisten zu und Ostturkestan ebenfalls.
Im Verlauf dieses Vorgangs unternahm das Volk von Ostturkestan ein weiteres Mal eine Petition um Unabhängigkeit, und 1944 wurde die Republik von Ostturkestan aufgerufen. Sie hielt nur bis Mao 1949 die Kontrolle über China an sich riss.
Die erste kommunistische Regierung in der Welt kam in Russland an die Macht. Die Muslime aus Ostturkestan beobachteten genauestens die Entwicklungen in den unter sowjetischer Vorherrschaft stehenden Gebieten von Westturkestan (Kasach, Usbek, Kirgis, Turkmen und Tadschik), mit denen sie ihre gemeinsamen Grenzen und historischen, religiösen, ethnischen und kulturellen Bindungen teilten. Im Besonderen warnten Leute wie der jüngst verstorbene Isa Yusuf Alptekin (der in Westturkestan gedient hatte und die kommunistische russische Unterdrückung aus erster Hand erlebte) die chinesische Regierung und die Muslime in Ostturkestan vor der kommunistischen Bedrohung. Es war eine gängige kommunistische Taktik Lippenbekenntnisse zu Begriffen wie Gleichheit, soziale Gerechtigkeit und Frieden der Nationen beizusteuern, bis sie an die Macht kamen, woraufhin die Dinge sich änderten. Gleichheit wurde durch die Anordnungen des Politbüros ersetzt, soziale Gerechtigkeit durch Ausbeutung und Freiheiten durch Ausschlüsse, Folter, Arbeitslager und Massenhinrichtungen.
In der Tat gab es dieselben Entwicklungen in Ostturkestan. Auf dem 7-ten Kongress im Jahre 1945, bevor er an die Macht kam, deklarierte Mao, dass die Kommunisten, wenn sie an die Macht kommen würden, unterschiedlichen ethnischen Gruppen erlauben ihre eigene Zukunft zu bestimmen und ihre eigenen Verwaltungen einzusetzen.23Sobald sie aber an die Macht kamen, ignorierten sie diese Versprechen und deklarierten: „2000 Jahre lang war Xiniang ein unveräußerlicher Teil des unteilbaren Chinas gewesen; deshalb würde es keinen Sinn ergeben China in föderale Republiken aufzuteilen; dies ist eine Forderung, die feindlich gegenüber der Geschichte und dem Sozialismus ist…“24
Die Kommunisten töteten tausende unschuldiger Menschen während ihrer Machtübernahme. |
Grausamkeit und Unterdrückung folgten. Zunächst wurden die Führer der Republik Ostturkestan in einem mysteriösen Flugzeugabsturz auf dem Weg zu einem Treffen mit dem Vorsitzenden Mao getötet. Danach begann die rot-chinesische Regierung, die Ostturkestan als Teil ihres eigenen Gebiets ansah (und sich weigerte dieses freizugeben), ein rücksichtsloses Gemetzel an der Muslimischen Bevölkerung. Der erste Krieg wurde gegen die Überzeugungen der Muslime geführt. Schulen, die religiöse Unterweisung anboten, wurden geschlossen, religiöse Führer wurden verhaftet, und die Mehrheit von ihnen getötet. Portraits von Mao und Flaggen der Kommunistischen Partei wurden in Moscheen aufgehängt, und Muslime wurden angeordnet ihnen ihren Respekt zu erweisen. Einige Muslime wurden verhaftet und hingerichtet unter dem Vorwand, dass sie pan-türkisch seien, andere, dass sie pan-Islamisch seien. Ein anderer Aspekt der Unterdrückung war das erzwungenes Exil. Viele Muslime, die aus ihren Ländereien vertrieben wurden, starben auf dem Weg wegen der Wetterbedingungen. Zwischen 1949 und 1952 wurden 2.8 Millionen Muslime aus Ostturkestan auf mehrfache Weise getötet. Die Zahl betrug zwischen 1952 und 1957 3.5 Millionen, 6.7 Millionen zwischen 1958 und 1960, und 13.3 Millionen zwischen 1961 und 1965.
Unterdrückung, Gemetzel und Folter sind wesentliche Bestandteile des kommunistischen Regimes Szenen von Grausamkeit gegen Muslime in Ostturkestan waren auch in China selbst gesehen worden. |
Als die Muslime systematisch exterminiert wurden, wurden Chinesen gebracht um sie zu ersetzen. Durch diesen Versuch wollte man die rechtmäßigen Ansprüche der Muslime auf ihr eigenes Land zu unterwandern. Eine andere Methode, die von Maos Regime angewandt wurde, um Ostturkestan in eine Provinz von China zu verwandeln, war die „Familienplanung“ mittels erzwungener Abtreibungen. Diese kommunistische Brutalität, die noch heute andauert, wird in den folgenden Kapiteln dieses Buches detaillierter erörtert.
Prominente Namen im Ostturkestanischen Freiheitskampf | ||
Am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts war die Zeit, als sich in Ostturkestan die nationalen und geistigen Gefhle regten. Dieses Nationale Erwachen der Uighur Trken verdanken sie Abdulqadir Damulla, der seine Aktivitten im Anschluss an eine Reise in die Muslimischen Lnder wie die Trkei, gypten und Syrien begann. Eine der wichtigsten Bedrfnisse dieser Zeit war, dass den Menschen ihre geheiligten Werte und das historische Erbe bewusst gemacht werden musste. Damulla grndete eine Schule mit dem Namen Matla'ul Hidayat und begann, die jungen Menschen von Ostturkestan ber ihre Geschichte zu unterrichten. Auerdem half er, das Bewusstsein der Bevlkerung durch Bcher, die er herausgab, zu heben. Nach Damulla bernahmen die Drei Meister Isa Yusuf Alptekin, Muhammed Emin Bugra, und Mesud Sabri Baykuzu den Kampf in Ostturkestan. Baykuzus Kampf endete mit seiner Verhaftung durch die kommunistische chinesische Administration im Jahre 1951 (er wurde im folgenden Jahr durch eine tdliche Spritze gettet). Alptekin und Bugra setzten den Kampf bis zu ihrem Lebensende fort.
Alptekin diente als Sekretr der Ostturkestanischen Provinzialregierung. Selbst abhngig von China verbrachte er sein ganzes Leben damit, ber die gerechtfertigten Ansprche von Ostturkestan auf internationalen Foren zu sprechen und versuchte, die Muslime zu befreien. Er begann mit 26 Jahren im Chinesischen Konsulat in Westturkestan zu arbeiten. Zu dieser Zeit erreichte die Unterdrckung der trkischen Muslime in Westturkestan seinen Hhepunkt. Er begann seinen Kampf, da er die kommunistische Mentalitt und Praxis aus erster Hand erfuhr. Whrend seiner Zeit in Westturkestan stellte er Kontakte zu Personen her, die die Unabhngigkeit von Ostturkestan untersttzten (er aber musste seine Aktivitt im Geheimen ausfhren). Alptekin bemhte sich ganz besonders, die Menschen vor dem Kommunismus zu beschtzen. Er stellte sogar Kontakte innerhalb der chinesischen Regierung her, im Glauben, dass er dadurch noch effektiver gegen den Kommunismus arbeiten knne. Er reprsentierte sein Land im Chinesischen Parlament zwischen 1936 und 1945. Als die Kommunisten zuerst Beijing eroberten und dann in Richtung Ostturkestan marschierten, war Alptekin gezwungen, sein Land zu verlassen. Im Jahre 1954 lie er sich in Istanbul nieder und begann von dort zu arbeiten. Er reist in viele Lnder um der Welt ber die Leiden in Ostturkestan zu berichten, er organisierte Konferenzen, nahm an Kommissionen teil und sprach an Universitten. Muhammad Emin Bugras Name ging mit seinem ausfhrlichen Werk Dogu Turkistan Tarihi (Die Geschichte von Ostturkestan) in die Geschichte des Kampfes von Ostturkestan ein. Er diente persnlich im Jahre 1931 in der Unabhngigkeitsbewegung und war bei der Befreiung der Stdte Hotan und Yarkent von der chinesischen Beatzung behilflich. Er diente als Minister in dem Ostturkestanischen Staat der 1944 gegrndet wurde und sucht in Indien kurz vor der chinesischen Invasion um Asyl an. Von dort zog er in die Trkei und setzte den Kampf von dort fort. Der mit Ehre entlohnte lebenslange Kampf dieser Patrioten wird bis heute fortgesetzt. Auf dem internationalen Parkett sind gegenwrtig ca. 20 Vereinigungen und Organisationen zu Gunsten Ostturkestans ttig. Alle arbeiten unter dem Schirm des East Turkestan National Council (ETNC) zusammen und bemhen sich darum, dass die Stimme der Menschen in Ostturkestan von der Auenwelt gehrt wird. |
23. Lydia Holubnchy, The East Turkic Review, No 4, 1960, Münih, s. 94
24. Ziya Samedi, Kommunizim Tugi, Almati, 18 Mart 1979