Am Berge Sinai war Moses nicht nur die Offenbarung zuteil geworden, unser Herr hatte ihm außerdem große Weisheit verliehen. Besonders über zwei Themen hatte Allah Moses belehrt: über das Schicksal und über das Gottvertrauen. Moses hatte erkannt, das sein gesamtes Leben sich im Rahmen eines bestimmten Schicksals abspielte, und er hatte seine Reise, wie dieses Schicksal ihm vorschrieb, angetreten. Er hatte inzwischen begriffen, dass er Pharao nicht zu fürchten brauchte, sondern auf Allah vertrauen konnte, der immer mit ihm war, ihn sah und ihm half. In dieser Geisteshaltung waren sie zu Pharao und seinem Gefolge aufgebrochen, das Allah im Quran als "ein hochmütiges und sündiges Volk" bezeichnet:
Pharaoh's rule was based on oppression and cruelty, for which he was proud. The relief above depicts Pharaoh crushing his opponents' skulls.
Dann, nach ihnen, schickten Wir Moses und Harun mit Unseren Wunderzeichen zu Pharao und seinen Oberhäuptern. Sie aber waren hochmütig und ein sündiges Volk. (Sure 10:75 – Yunus)
Der Dialog zwischen Moses und Pharao ist im Quran überliefert. Eine eingehende Untersuchung der Antworten, die Pharao Moses gab, deckt seine unvernünftige und irrationale Denkweise auf. Aus seinen Antworten kann entnommen werden, dass er, anstatt Moses Worte zu durchdenken, darauf aus war, ihm eine Niederlage in der Debatte zuzufügen, ihn vor seinen Gefolgsleuten anzuprangern. Der Dialog zwischen Moses und Pharao verlief wie folgt:
Er fragte: "Und wer ist dann euer Herr, o Moses?"
Er antwortete: "Unser Herr ist Der, Welcher jedem Ding sein Dasein und Wesen gegeben hat und es leitet."
Er fragte: "Und wie steht es mit den früheren Geschlechtern?
Er antwortete: "Das Wissen darum ist bei meinem Herrn in einem Buch. Mein Herr irrt Sich nie, und Er vergisst niemals."
(Er) Der euch die Erde zu einem Lager gemacht hat und euch auf ihren Wegen ziehen lässt und vom Himmel Wasser herabsendet, durch das Wir paarweise verschiedene Pflanzen hervorbringen. Esst denn und weidet euer Vieh! Darin sind wahrlich Zeichen für Leute von Verstand. Aus ihr haben Wir euch erschaffen, und in sie lassen Wir euch zurückkehren, und aus ihr lassen Wir euch ein weiteres Mal erstehen. (Sure 20:49-55 – Ta Ha)
Anstatt Moses' Botschaft mit vernünftigem und klarem Bewusstsein zu bewerten, schätzten Pharao und sein Hofstaat sie ein, wie sie es, auf der Religion ihrer Vorfahren gründend, gewohnt waren. Nach ihrem Aberglauben war Pharao selbst eine angebliche Gottheit und so waren sie weit davon entfernt, die Idee der Existenz Gottes auch nur in Betracht zu ziehen.
Und als Moses mit Unseren deutlichen Zeichen zu ihnen kam, sprachen sie: "Dies ist nichts als von Menschen entwickelte Zauberei; denn wir haben derartiges nie von unseren Vorvätern gehört." (Sure 28:36 – al-Qasas)
Pharao und sein Hofstaat glaubten, durch die Verkündung der Existenz des einzigen Gottes sei es Moses Absicht gewesen, die Macht im Land an sich zu reißen indem er die überlieferte, alte Religion von Pharao's Vorfahren abschaffte. Diese Religion verschaffte Pharao und seinem Gefolge eine ganze Reihe von Privilegien, und das Bekenntnis zu einer anderen Religion hätte den Machtverlust Pharaos' und die Einsetzung Moses' als Autorität zur Folge gehabt. Sie glaubten daher, Moses sei gekommen, die Menschen ebenso zu tyrannisieren, wie Pharao es zuvor getan hatte. Diese beschränkte Auffassung kommt in der Antwort Pharaos' an Moses und Harun zum Ausdruck:
Sie fragten: "Bist du zu uns gekommen, um uns von dem abwendig zu machen, was wir bei unseren Vätern vorfanden, damit ihr beide die Macht im Lande übernehmt? Wir glauben euch nicht!" (Sure 10:78 – Yunus)
Doch der Vorwurf, ausgedrückt in der Frage "Bist du zu uns gekommen... damit ihr beide die Macht im Lande übernehmt?" war lediglich ein Verleumdungsversuch Pharaos und seines Gefolges. Prophet Moses hatte nicht im mindesten die Absicht, Ägypten zu regieren, er hatte Pharao lediglich darum ersucht, das Volk Israels mit ihm ziehen zu lassen. Moses' Wunsch war, Pharao solle die Kinder Israels, ein versklavtes Volk, das unter kummervollen Bedingungen lebte, in die Freiheit entlassen:
Und Moses sprach: "O Pharao! Siehe, ich bin ein Gesandter vom Herrn der Welten. Es gehört sich für mich, nichts als die Wahrheit über Allah zu sprechen. Ich bin zu euch mit einem deutlichen Beweis von euerem Herrn gekommen. Darum entlass die Kinder Israels mit mir." (Sure 7:104, 105 – al-A'raf)
Pharao lehnte Moses' Wunsch ab. Indem er Moses daran erinnerte, dass er seinerzeit im Palast aufgezogen worden war, wollte er eine Loyalität in Moses wachrufen, die dieser ihm vermeintlich schuldete. Pharao verstärkte dieses Argument mit der Erwähnung des Mannes, den Moses damals unabsichtlich erschlagen hatte. Moses Erwiderung auf diese Anwürfe ist charakteristisch für den Rechtgläubigen, der sich bedingungslos seinem Schicksal und dessen Folgen ergibt:
Er antwortete: Haben wir dich nicht unter uns als Kind aufgezogen, so dass du viele Jahre deines Lebens unter uns verbracht hast? Und hast du nicht jene Tat verübt? Du bist ein Undankbarer!" Er antwortete: "Ich tat es wohl, als ich noch auf Abwegen war. Und ich floh vor euch, weil ich mich vor euch fürchtete. Doch mein Herr schenkte mir Weisheit und machte mich zu einem der Gesandten." (Sure 26:18-21 – asch-Schu'ara')
Moses erklärt, dass sein Heranwachsen im Palast nicht etwa auf Pharaos Güte zurückzuführen gewesen sei, sondern das Ergebnis seiner grausamen Unterdrückung gewesen war:
Und die Gnade, die du mir vorhältst, ist wohl, dass du die Kinder Israels gefangen hältst! (Sure 26:22 – asch-Schu'ara')
Trotz seines früheren Zauderns überbringt Moses Pharao und seinem Gefolge Gottes' Botschaft furchtlos und aufrecht, eingedenk der Tatsache, dass Allah ihn Seines Geleits versichert hatte. Zunächst befragt Pharao Moses über dessen Herrn:
Pharao fragte: "Und was ist der Herr der Welten?"
Er sprach: "Der Herr der Himmel und der Erde und was zwischen beiden ist, wenn ihr nur glauben wolltet!"
Er fragte die, welche um ihn waren: "Habt ihr das gehört?"
Er sprach: "(Er ist) euer Herr und der Herr euerer Vorväter!" (Sure, 26:23-26 – asch-Schu'ara')
In seiner Antwort erklärt Moses, die Religion von Pharao's Vorfahren sei völlig wertlos, sie sei von Beginn an anmaßend gewesen, denn Allah sei bereits der Herr dieser Vorfahren gewesen. Als Pharao darauf keine Antwort weiß, verlegt er sich wieder auf Verleumdungen und Drohungen:
Er sagte: "Dieser Gesandte, der zu euch geschickt wurde, ist gewiss besessen!"
Er sprach: "(Er ist) der Herr des Ostens und des Westens und was zwischen beiden ist, wenn ihr nur begreifen wolltet!"
Er sagte: "Wenn du einen anderen Gott als mich annimmst, sperre ich dich bestimmt ein!" (Sure 26:27-29 – asch-Schu'ara')
Offensichtlich brachten Moses' prägnante Erklärungen und klare Beweise Pharao in eine schwierige Position, und so erklärte er Moses schlicht für verrückt. Pharaos' Absicht war, den starken Einfluss, den Moses auf die Menschen ausübte, zu neutralisieren. Moses aufrechte und überzeugende Rethorik machte Pharao wütend. Schließlich bedrohte er Moses mit Gefängnis, falls er sich weiterhin weigern sollte, Pharaos' angebliche Göttlichkeit anzuerkennen. Hier manifestiert sich einmal mehr Pharaos' verdorbener Charakter.
An diesem Punkt angelangt, verkündet Moses, er habe Zeichen bei sich, die sein Prophetentum beweisen würden, und er ließ die zwei Wunder geschehen, zu denen Gott ihn befähigt hatte.
Er sprach: "Wie, wenn ich aber mit etwas Überzeugendem zu dir komme?"
Er sagte: "So zeige es, sofern du die Wahrheit redest."
Da warf er seinen Stab hin und, siehe, er wurde offenbar zu einer Schlange. Und er zog seine Hand heraus und, wahrlich, sie erschien den Zuschauern weiß. (Sure 26: 30-33 – asch-Schu'ara')
Pharao und sein Gefolge, die Zeugen wurden, wie Moses die beiden Wunder Gottes geschehen ließ, meinten, sie seien nur durch Zauberei möglich gewesen. Weil er sich durch die Wunder nicht beeindrucken lassen wollten, befragte Pharao seine Ratgeber:
Er sagte zu den Anführern um ihn: "Seht, dies ist tatsächlich ein kenntnisreicher Zauberer. Er will euch mit seiner Zauberei aus euerem Land vertreiben. Was empfehlt ihr da?" (Sure 26:34, 35 – asch-Schu'ara')
Die Mentalität, die hier zum Vorschein kommt, ist typisch für jene, die die Wahrheit verneinen. Der Quran kennt zahlreiche Beispiele von Menschen ähnlichen Verhaltens und deren Antworten auf den Beweis offensichtlicher Tatsachen. Diese Geisteshaltung, die blindlings dem Glauben der Vorfahren folgt und sich weigert, die Wahrheit zu sehen, obwohl sie vollständig und klar erkennbar ist, war nicht nur eine besondere Charaktereigenschaft Pharaos und seines Gefolges. Im Lauf der Geschichte haben Glaubensverweigerer schon immer einen ähnlichen Weg eingeschlagen. Diese Überheblichkeit beschreibt unser Herr im Quran folgend:
Abwenden aber will Ich von Meiner Botschaft diejenigen, die sich ohne Grund auf der Erde hochmütig benehmen. Selbst wenn sie alle Zeichen (der Wahrheit) sehen, wahrlich, sie glauben nicht daran. Und selbst wenn sie den rechten Weg sehen, so nehmen sie ihn nicht als Weg… (Sure 7:146 – al-A'raf)
Pharao und sein Umfeld bevorzugten erkennbar den Weg der Verleugnung und des Übels anstatt den Weg der Rechtleitung zu beschreiten. Trotz der Wunder, deren Zeugen sie gewesen waren, wollten sie Moses der Lüge überführen. Zu diesem Zweck wollten sie Moses, den sie nun für einen Magier hielten, mit ihm ebenbürtigen Zauberern und Hexern konfrontieren.
Sie sprachen: "Lass ihn und seinen Bruder warten, und schicke Leute in die Städte, die zusammenrufen, um dir jeden gelehrten Zauberer zu bringen. (Sure 7:111, 112 – al-A'raf)
Pharao behauptete, die Wunder Moses seien nichts als Taschenspielertricks gewesen und glaubte, seine eigenen Zauberer würden diese als solche entlarven. Auf diese Art gedachte er Moses zu überführen und seine eigene Reputation wieder herzustellen. Er hätte Moses und Harun durchaus töten lassen können. In der Hoffnung aber, einen größeren und eindrucksvolleren Sieg davonzutragen, folgte er den Vorschlägen seiner Ratgeber. Dies schien ihm eine gute Strategie zu sein. Tatsächlich jedoch war er dazu verurteilt, eine überwältigende Niederlage von Allah hinzunehmen, und diese Niederlage kam aus einer Richtung, aus der er sie am allerwenigsten erwartet hätte.
Eines überwältigenden Sieges gewiss, erlaubte Pharao Moses, Zeit und Ort der Konfrontation zu bestimmen.
Er fragte: "Bist du zu uns gekommen, uns mit deiner Zauberei aus unserem Land zu vertreiben, o Moses? Aber wir werden dir gewiss mit gleichartiger Zauberei kommen. Setze also zwischen uns und dir ein Treffen fest - wir wollen es nicht verfehlen und du auch nicht - an einem Ort, der beiden recht ist."
Er sagte: "Das vereinbarte Treffen sei am Festtag, und die Leute sollen sich am Vormittag versammeln." (Sure 20:57-59 – Ta Ha)
Moses wählte den Tag der Festspiele, so dass die Bevölkerung die Begegnung verfolgen konnte. Es war eine weise Entscheidung, denn so konnte das Volk Moses' Botschaft hören und Zeugen der Niederlage Pharaos und seiner Zauberer werden. Pharao war mit Zeit und Ort einverstanden.
Dann zog sich Pharao zurück und raffte seine ganze List zusammen. Alsdann kam er (zum Treffen).
Moses sagte zu ihnen. "Wehe euch! Denkt euch gegen Allah nichts Böses aus, sonst vernichtet Er euch durch eine Strafe. Jeder, der (Böses gegen Ihn) ausbrütet, geht verloren.
Und sie besprachen ihr Vorhaben untereinander, berieten aber geheim.
Sie sagten: "Diese beiden sind bestimmt Zauberer. Sie wollen uns mit ihrer Zauberei gewiss aus unserem Land vertreiben und uns unserer Lebensweise berauben. So nehmt euer ganzes Können zusammen; dann tretet geschlossen vor. Wohl dem, der heute obsiegt!" (Sure 20:60-64 – Ta Ha)
Call to the way of your Lord with wisdom and fair admonition, and argue with them in the kindest way. Your Lord knows best who is misguided from His way. And He knows best who are guided. (Surat an-Nahl: 125)