Alten ägyptischen Quellen zufolge gaben die Herrscher den ernannten Schatzmeistern einen Ring wie diesen. Sehr wahrscheinlich hat auch Joseph als Zeichen seiner Autorität und seines Ranges einen solchen Ring erhalten.
Nachdem der Herrscher die Wahrheit erfahren hatte, begann ein neues Leben für Joseph. Er wurde vor den Herrscher geführt, und dieser vertraute ihm eine wichtige Position an seiner Seite an, indem er ihn zu seinem Ratgeber machte. Der Quran berichtet:
Und der König sprach: "Bringt ihn zu mir! Ich will ihn an meiner Seite haben." Und nachdem er es mit ihm besprochen hatte, sagte er: "In der Tat, von heute an bist du bei uns in Amt und Würden." Er sprach: "Übertrag mir die Aufsicht über die Vorratsspeicher des Landes. Ich bin gewiss ein kenntnisreicher Verwalter." Und so gaben Wir Joseph eine verantwortliche Stellung im Land und er hielt sich auf, wo er wollte. Wir gewähren Unsere Barmherzigkeit, wem Wir wollen, und lassen den Lohn der Rechtschaffenen nicht verlorengehen. Und wahrlich, in den Augen derer, welche glauben und gottesfürchtig sind, ist der Lohn des Jenseits besser. (Sure Joseph 12:54-57)
Zur Erinnerung: Joseph war als Sklave nach Ägypten verschleppt worden, er war im Kerker gelandet unter der falschen Anschuldigung, einer Frau nachgestellt zu haben. Doch Gott führte Veränderungen herbei, die als unmöglich angesehen worden wären, er ließ Joseph zu einem Mann werden, dessen Worte Gewicht hatten in der ägyptischen Regierung.
Das scheinbar Unmögliche möglich zu machen, gehört zu Gott’s Weisheit und Größe. Im Quran steht geschrieben:
... "Wie oft hat ein kleiner Haufen mit Gottes Willen eine große Schar besiegt! Und Gott ist mit den Standhaften." (Sure al-Baqara 2:249)
Der Glaube bewirkt das Wunder, daß Gott die Gläubigen aus scheinbar ausweglosen Situationen errettet, und denen entgegentritt, die Ihn zurückweisen. Die einzige Pflicht des Gläubigen ist es, niemals den Glauben an Gott’s Versprechen aufzugeben und sich grundsätzlich dem Willen Gottes zu unterwerfen und Ihm zu vertrauen.
Diese alten ägyptischen Bilder zeigen die sieben fetten Jahre, die vor den sieben dürren Jahren kamen.
Er sprach: "Ihr werdet sieben Jahre wie üblich säen. Aber bewahrt, was ihr erntet, auf den ähren auf, bis auf weniges, das ihr verzehrt. Dann kommen sieben harte (Jahre), welche aufbrauchen werden, was ihr zuvor für sie als Vorrat eingespeichert hattet, bis auf weniges davon, das ihr (weiter) aufbewahrt. Dann kommt ein Jahr, in welchem die Menschen Regen im Menge haben und in dem sie keltern."(Sure Joseph 12:47-49)
Die alten ägyptischen Inschriften von 1700 – 1550 v.Chr. zeigen die sieben dürren Jahre zur Zeit des Propheten Joseph.
Für Menschen, die ihr Leben abseits der Religion führen, ist es das höchste Streben, Stärke und Macht und Reichtum in dieser Welt zu besitzen. Dafür kämpfen sie und dem verschreiben sie ihr Leben. Doch wie wir gesehen haben, befreite Gott den Propheten Joseph aus dem Kerker und stattete ihn von einem Tag auf den anderen mit all diesen Segnungen aus.
A relief and a painting showing the Egyptian government storing away part of the harvests from the years of plenty and the distribution of provisions during the time of famine.
Hier liegt die Weisheit des Verses darin, das Gott an dessen Ende an das Jenseits erinnert, unmittelbar, nachdem Er Joseph Macht, Einfluß und Besitz gegeben hat.
So werden wir daran erinnert, daß Besitz und Stellung in dieser Welt nicht von Bedeutung sind und daß wir unseren Blick auf das Jenseits richten müssen, daß die Belohnung im Jenseits reichlich sein wird. Wir werden jedoch auch daran erinnert, daß dies nur für gottesfürchtige Gläubige gilt. Es steht daher völlig außer Frage, daß jene, denen diese Eigenschaften fehlen, auf eine angenehme Vergeltung im Jenseits hoffen dürfen. So lenkt Gott den Blick der Menschen auf das Jenseits.
Die Lebensgeschichte des Propheten Joseph zeigt den Menschen noch einen anderen wichtigen Punkt. Gott offenbart es im Quran:
Doch wahrlich, mit (jeder) Schwierigkeit kommt (auch) Erleichterung! Doch wahrlich, mit (jeder) Schwierigkeit kommt (auch) Erleichterung! (Sure asch-Scharh 94: 5-6)
Gott verspricht den Gläubigen also nach jeder Prüfung Erleichterung.
Das Leben des Propheten Joseph ist voller Beispiele dafür. Wie er aus dem Brunnen gerettet wurde, wie er in einer guten Familie erzogen wurde und wie er aus dem Kerker direkt ins Schatzamt kam sind klare Beweise dafür, daß Gott auf alle Sorge und Not Erleichterung folgen läßt.
Joseph bekam die Verantwortung für den ägyptischen Staatsschatz. Nur wenig später kamen seine Brüder, die ihn einst in den Brunnen geworfen hatten, in Handelsgeschäften nach Ägypten. Sie wurden zu ihm gebracht, doch sie erkannten ihn nicht. Er hingegen erkannte sie sofort, und er entwickelte einen äußerst feinsinnigen Plan. Er bot ihnen großzügig Nahrungsvorräte an und versicherte sie seiner generösen Gastfreundschaft, wobei er kalkulierte, sie auf diese Weise insofern unter seinen Einfluß zu bringen, daß sie tun würden, was er von ihnen verlangte. Er wollte seinen jüngsten Bruder wiedersehen, was den folgenden Versen entnommen werden kann.
Und Josephs Brüder kamen und traten bei ihm ein. Er erkannte sie, sie aber erkannten ihn nicht. Und als er ihren Bedarf gedeckt hatte, sagte er: "Bringt mir eueren Bruder väterlicherseits. Ihr seht doch, dass ich volles Maß gebe und der beste Gastgeber bin? Wenn ihr ihn mir allerdings nicht bringt, werdet ihr von mir nicht mehr beliefert und nicht mehr zugelassen." (Sure Joseph 12:58-60)
Dank Joseph's vorausschauenden Managements wurden in den Hungerjahren Lebensmittel verkauft. Die Menschen strömten zu Handelsgeschäften nach Ägypten. Das Gemälde oben und die alten ägyptischen Bilder zeigen den Handel.
Die Verse zeigen, daß der Prophet ihre Wünsche wachhielt, indem er klarmachte, daß er ein freigiebiger Mann war. Das war der Köder für die Brüder, und es funktionierte. Dann machte Joseph ihnen klar, sie müßten bei ihrem nächsten Besuch den Bruder mitbringen, andernfalls gebe es keine weitere Audienz und sie würden mit leeren Händen fortgeschickt werden. Auf diese Weise weckte er die Befürchtung von Schwierigkeiten in ihnen, ließ ihnen jedoch gleichzeitig die Möglichkeit, diese zu vermeiden.
Die Worte des Propheten Joseph verfehlten ihre Wirkung auf die Brüder nicht. Angesichts seiner Machtfülle und seines prunkvollen Auftretens waren sie von der Ernsthaftigkeit seiner Worte überzeugt, und sie beschlossen, alles in ihrer macht stehende zu tun, ihren Bruder zu ihm zu bringen.
Sie antworteten: "Wir werden ihn von unserem Vater erbitten - das tun wir ganz gewiss!" (Sure Joseph 12:61)
Joseph’s Vorgehen war sehr geschickt. Hätte er seinen Brüdern keinen materiellen Anreiz geboten, und hätte er nicht eine Bedingung gestellt, so hätten seine Brüder vielleicht den Bruder bei ihrer nächsten Reise nicht mitgebracht. Deswegen nahm er ihnen die Entscheidung aus der Hand, indem er ihnen praktisch keine Wahl ließ.
Doch Joseph traf noch eine weitere Vorkehrung. Bevor die Brüder Ägypten verließen, ließ er das Geld, das sie für die gelieferten Vorräte bezahlt hatten, insgeheim zurück in ihr Gepäck stecken. So verschaffte er ihnen einen weiteren materiellen Vorteil. Im Quran steht darüber:
Und er befahl seinen Dienern: “Steckt ihre Ware in ihr Gepäck zurück. Vielleicht bemerken sie es, wenn sie zu ihren Familien heimgekehrt sind, und kommen zurück.” (Sure Joseph 12:62)
Gläubige können hier eine weitere Lebensregel erkennen: Wer eine Vereinbarung mit Menschen getroffen hat, deren Gewissen eigentlich nicht zu trauen ist, die darüber hinaus schwach sind im Glauben und in der Moral, der muß alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen ergreifen, zu verhindern, daß sie die Vereinbarung brechen und er muß versuchen, sicherzustellen, daß sie das tun, was die getroffene Vereinbarung von ihnen verlangt. Ein Gläubiger wird die Initiative nicht denen überlassen, die schwach sind im Glauben.
Es ist wohlbekannt, daß es zu den Eigenschaften der unwissenden Menschen gehört, materiellen Dingen tief verbunden zu sein und sich allem und jedem unterzuordnen, wovon sie glauben, es bringe ihnen einen materiellen Vorteil. Joseph’s Brüder konnten den Gedanken nicht ertragen, die Geschäftsmöglichkeiten zu verlieren, die er ihnen in Aussicht gestellt hatte. Sobald sie in ihre Heimat zurückgereist waren, baten sie daher ihren Vater, ihnen den kleinen Bruder zu überlassen, und sie versprachen, ihn zu beschützen:
Und als sie zu ihrem Vater zurückgekehrt waren, sagten sie: "O unser Vater! (Weitere) Lieferung ist uns verwehrt. So schicke unseren Bruder mit uns, damit wir unser Maß erhalten. Wir werden bestimmt gut auf ihn aufpassen." (Sure Joseph 12:63)
Doch der Vater mißtraute ihnen:
Er sprach: “Kann ich ihn euch etwa besser anvertrauen als ich euch zuvor seinen Bruder anvertraute? Doch Gott ist der beste Hüter, und Er ist der barmherzigste aller Erbarmer.” (Sure Joseph 12:64)
Es fällt auf, daß beide Propheten, sowohl Jakob als auch Joseph, sich ständig Gottes erinnern und Ihn am Ende ihrer Rede preisen. Dieses Beispiel soll den Gläubigen klarmachen, daß sie zu jeder Zeit an Gott denken müssen und Ihn niemals vergessen dürfen.
Joseph’s Brüder jedoch waren besessen von materiellem Gewinn. So gaben sie sich alle Mühe, ihren Vater zu überreden:
Und als sie ihr Gepäck öffneten, fanden sie ihre Ware wieder. Sie riefen: “O unser Vater! Was wünschen wir uns mehr? Unsere Tauschware wurde uns zurückgegeben! Und so können wir für unsere Familien Getreide einkaufen, dabei auf unseren Bruder aufpassen und eine Kamelslast mehr erhalten. Das ist eine einfache Aufgabe.”(Sure Joseph 12:65)
Da Jakob den Söhnen gleichwohl nicht traute, nahm er ihnen das Gelübde ab, ihren Bruder unversehrt zurückzubringen:
Er sprach: "Niemals werde ich ihn euch mitgeben, es sei denn, ihr gelobt mir vor Gott, ihn mir gewiss wiederzubringen, falls ihr nicht vom Rückweg abgeschnitten seid." Und als sie es ihm gelobt hatten, sprach er: "Gott ist Zeuge unserer Worte." (Sure Joseph 12:66)
Jahre später erschienen die Brüder, die ihn in den Brunnen geworfen hatten, wieder vor Joseph, um Lebensmittel einzukaufen.
Daß Jakob Gott als Zeugen für ihr Versprechen anrief und Ihn um Schutz bat, ist ein hervorragendes Beispiel seiner Weisheit. Es zeigt uns, daß es eine effiziente Maßnahme ist, Menschen die schwach sind im Glauben, bei Gott’s Namen schwören zu lassen, wenn man sie in eine Richtung leiten will, die besser für sie ist; denn wenn sie nur ein wenig Gottesfurcht in sich tragen, so werden sie sich daran erinnern und sich ehrlich verhalten.
Nachdem er ihnen den Eid abgenommen hatte, schärfte er den Söhnen ein, vorsichtig zu sein und die Stadt in Ägypten durch verschiedene Tore zu betreten:
Und er sprach: 'O meine Söhne! Tretet nicht (allesamt) durch ein einziges Tor ein, sondern tretet durch verschiedene Tore ein. Doch ich kann euch nicht gegen Gott helfen. Die Entscheidung liegt allein bei Gott. Ihm vertraue ich, und vertrauen sollen Ihm alle Vertrauenden." (Sure Joseph 12:67)
Dieser Rat Jakobs ist überaus wichtig. Der Vers macht den Gläubigen klar, daß sie grundsätzlich vorsichtig handeln sollen, daß sie jede mögliche Gefahr einkalkulieren und die erforderlichen Maßnahmen ergreifen sollen.
Gleichzeitig erinnert uns Jakob an das Wesentliche, das hinter allen Dingen steht. Er sagt, es sei Gott, Der alles festlege, daß es, falls Gott etwas wolle, keinen Weg gibt es zu verhindern und daß es deswegen notwendig sei, sich Seinem Willen zu fügen. Das sind überaus wertvolle Erkenntnisse. Hier wird der Gedanke der Unterwerfung unter den Willen Gottes, dem sich alle Muslime fügen müssen, in seinem vollen Sinn verständlich. Die verbreiteten Vorstellungen von Schicksal und Unterwerfung sind nämlich falsch. Manche Menschen glauben, daß bestimmte Ereignisse aufgrund von Maßnahmen eintreten, die sie selbst ergriffen haben, das heißt, sie glauben, sie könnten den Gang der Dinge in ihrem Sinne steuern. Andere verstehen unter Unterwerfung unter den Willen Gottes die Auffassung: Was geschehen wird, ist bereits vorherbestimmt, es gibt also keinen Grund für uns, überhaupt etwas zu tun. Beide Haltungen sind falsch. Die Menschen sind verantwortlich, angemessen zu handeln, egal in welcher Situation, sie können sehr wohl Dinge in Bewegung setzen, sie dürfen dabei nur nicht vergessen, daß der Ablauf und das Ergebnis in den Händen von Gott liegen. Vorsichtsmaßnahmen werden den Ausgang der Ereignisse nicht ändern, doch sie müssen als ein Akt des Glaubens trotzdem ergriffen und gewissenhaft beachtet werden.
Der Prophet Jakob war ein rechtschaffener Gläubiger, und er war sich dieses Geheimnisses völlig bewußt. Wie er Gott anrief und die verborgenen Aspekte der Angelegenheit in Erwägung zog, weist auf seine Gottesfürchtige Natur hin. Ein anderer Vers belehrt uns, daß Jakob ein Diener Gottes war, der Weisheit besaß:
Obwohl sie so eingetreten waren, wie ihr Vater es ihnen anbefohlen hatte, nützte ihnen dies nichts gegen (den Plan von) Gott. Es erfüllte lediglich einen innigen Wunsch Jakobs (sie zu schützen). Er aber besaß Wissen, das Wir ihn gelehrt hatten. Jedoch wissen die meisten Menschen nicht Bescheid. (Sure Joseph 12:68)
Joseph’s Brüder kamen zurück nach Ägypten und brachten den jüngsten Bruder mit. Sie erschienen erneut vor Joseph. Dieser sprach unter vier Augen mit dem jüngsten, und er offenbarte ihm seine Identität.
Und als sie bei Joseph eingetreten waren, nahm er seinen Bruder zur Seite und sprach: "Ich bin tatsächlich dein Bruder! Sei nicht traurig über das, was sie getan haben." (Sure Joseph 12:69)
Joseph’s Worten ist zu entnehmen, daß seine Brüder dem kleinen Bruder Dinge angetan hatten, die ihm Kummer und Not gebracht hatten. Das ist ein weiterer Hinweis darauf, wie wenig ihrem Charakter die Religion bedeutete.
Nachdem er mit seinem jüngeren Bruder zusammengekommen war, hatte Joseph den schlauen Gedanken, ihn beiseite zu nehmen. So bewahrte er den kleinen Bruder vor dem Leid, daß die anderen Brüder ihm zufügten. Der Quran beschreibt Joseph’s Einfallsreichtum so:
Und als er ihren Bedarf gedeckt hatte, steckte er einen Becher in den Kamelsattel seines Bruders. Dann rief ein Ausrufer: "O ihr Leute der Karawane! Wahrlich, ihr seid Diebe." Indem sie sich ihm zuwandten, fragten sie: "Was vermisst ihr denn?" Sie sagten: "Wir vermissen den Becher des Königs. Wer ihn wiederbringt, soll eine Kamelslast erhalten! Dafür verbürge ich mich." Sie beteuerten: "Bei Gott! Ihr wisst, dass wir nicht gekommen sind, um im Land Unheil zu stiften! Wir sind keine Diebe." Sie fragten: "Und was soll die Strafe sein, falls ihr Lügner seid?" Sie sagten: "Der, in dessen Kamelsattel er gefunden wird, soll zur Strafe dafür selbst die Vergeltung sein. So belohnen wir Übeltäter." Und er begann mit ihren Säcken, vor dem Sack seines Bruders; dann zog er ihn aus dem Sack seines Bruders. Diese List gaben Wir Joseph ein. Nach des Königs Gesetz wäre es ihm sonst nicht erlaubt gewesen, seinen Bruder festzuhalten, wenn es Gott nicht beliebt hätte. Wir erhöhen um Rangstufen, wen Wir wollen. Und über jedem, der Wissenden gibt es einen noch mehr Wissenden. (Sure Joseph 12:70-76)
Nach ägyptischem Recht hätte Joseph seinen Bruder nicht festhalten lassen können, doch dank des Plans, den er ersonnen hatte, war ihm dies nun möglich. Er versteckte eine Kelch im Gepäck seines Bruders. Einer seiner Untergebenen klagte die Brüder daraufhin als Diebe an, die einen dem König gehörenden Kelch gestohlen hätten. Obendrein wurde demjenigen, der den Kelch fände, eine volle Kamelladung als Belohnung in Aussicht gestellt. So wurde geschickt ein schwerer Zwischenfall inszeniert, wobei niemand auf den Gedanken kam, es handele sich um ein abgekartetes Spiel.
Die Bilder zeigen, wie der Kelch des Herrschers im Gepäck des jüngsten Bruders gefunden wird.
Das Gesetz sah vor, den Eigentümer der Ladung, in der der Kelch gefunden werden würde, zu verhaften und einzusperren. Um den Eindruck zu vermeiden, das Ganze sei ein Komplott, wurden zuerst die Gepäckstücke der anderen Brüder durchsucht. Schließlich fand man den Kelch bei dem jüngsten Bruder. Die anderen Brüder fanden sich sofort mit der Situation ab, nannten ihn einen Dieb und wiederholten eine frühere Verleumdung bezüglich Josephs:
Sie sagten, "Wenn er stahl, dann hat zuvor auch ein Bruder von ihm gestohlen… (Sure Joseph 12:77)
Doch die Brüder wußten ganz genau, daß der Jüngste nicht stahl, daß er ein ehrlicher Mensch war. Nach den moralischen Standards des Quran müssen Gläubige gut voneinander denken und sich gegenseitig vor Verleumdung bewahren. Die Tatsache, daß die Brüder Josephs den unschuldigen jüngsten Bruder nicht verteidigten und sogar den Propheten selbst belasteten, zeigt ihren falschen, heuchlerischen Charakter.
Der Prophet Joseph zeigte allergrößte Geduld in dieser Situation:
Sie sagten: "Wenn er stahl, dann hat zuvor auch ein Bruder von ihm gestohlen. Joseph aber hielt seine Gedanken verborgen und offenbarte sie ihnen nicht. Er sprach (bei sich:) "Ihr seid viel schlechter dran; und Gott weiß wohl, was ihr da behauptet." (Sure Joseph 12:77)
Joseph’s Haltung hier ist ein Beispiel für die Unterwerfung unter Gott’s Willen und große Intelligenz. Die meisten unwissenden Menschen sind verärgert, wenn sie nur das geringste Wort gegen sie sprechen hören und reagieren emotional. Joseph jedoch zeiget seine innersten Gefühle nicht. Der Quran beschreibt die Ereignisse weiter:
Sie sagten: "O du Großer! Siehe, er hat einen sehr alten Vater. Nimm daher einen von uns an seiner Statt. Wir sehen doch, dass du rechtschaffen bist." Er sprach: "Gott verhüte, dass wir einen anderen nehmen als den, bei dem wir unser Eigentum fanden; denn sonst wären wir gewiss ungerecht. Und da sie an ihm verzweifelten, gingen sie abseits, um sich zu beraten. Ihr Ältester sprach: "Erinnert ihr euch nicht, dass euer Vater von euch vor Gott ein Gelöbnis abnahm, und wie ihr es zuvor schon gegenüber Joseph gebrochen habt? Darum verlasse ich das Land nicht, ehe mein Vater es mir erlaubt oder Gott zu meinen Gunsten entscheidet; denn Er ist der beste Richter. (Sure Joseph 12:78-80)
Der Moment, als der Kelch gefunden wurde, aus einem Film über das Leben des Propheten Joseph. Unter normalen Umständen hätte Joseph seinen Bruder nicht bei sich behalten können, durch seinen Plan erreichte er dies jedoch.
Hier wird ersichtlich, daß einer der Brüder doch noch auf die Stimme seines Gewissens hörte. Eine ähnliche Situation hatte es bereits gegeben, bevor die Brüder Joseph in den Brunnen warfen. Sie hatten ihn töten wollen, doch einer von ihnen sagte: “Laßt uns ihm nicht das Leben nehmen, sondern ihn in den Brunnen werfen, so daß Reisende ihn finden können.“ Vielleicht ist es derselbe Bruder gewesen. Gott weiß es am besten.
Es ist ein interessanter menschlicher Charakterzug: Das Gewissen erkennt die Sündhaftigkeit dessen, was vorgeht, doch der Mensch steht nicht auf und verhindert es, sondern alles, was er aufzubringen vermag, ist eine moderate Opposition. Nun ist zwar dieses Verhalten schon viel besser, als das der völlig gewissenlosen Menschen, doch verglichen mit dem Charakter eines wahren Gläubigen ist es immer noch mangelhaft.
Der Charakter des Gläubigen wird ihn zu sofortigem Handeln veranlassen, wenn er Verhaltensweisen erkennt, die der Religion Gottes zuwiderlaufen. Der Gläubige ist niemals hilflos, er liegt keiner “Gruppendynamik“, er läßt sich von der ihn umgebenden grausamen Mehrheit nicht beeinflussen, und er geht niemals Kompromisse ein, über das, was rechtens ist. Er wird niemals vom Weg Gottes abweichen, selbst wenn seine gesamte Umgebung es tut. Der Quran überliefert das Gespräch zwischen Joseph’s Brüdern so:
Kehrt zu euerem Vater zurück und sagt: »O unser Vater! Siehe, dein Sohn hat gestohlen. Wir bezeugen nur, was wir wissen, und wir konnten nicht verhindern, was uns verborgen war. Frage nur nach in der Stadt, in der wir gewesen sind, und bei der Karawane, mit der wir angekommen sind! Wir sprechen die Wahrheit. (Der Vater) sprach: "O nein! Ihr habt euch da etwas ausgedacht. Und so gilt es, Geduld zu üben. Vielleicht bringt Gott sie mir (beide) zusammen wieder. Siehe, Er ist der Wissende, der Weise." (Sure Joseph 12:81-83)
Die Brüder glaubten also wirklich, ihr kleiner Bruder habe gestohlen. Doch das war ein großer Fehler ihrerseits. Sie hätten wissen müssen, daß ein Gläubiger so etwas nie tun würde; Sie hätten nur das Beste von ihrem Bruder denken dürfen und annehmen müssen, es müsse sich um einen Irrtum handeln. Tatsächlich verhielt sich Jakob genau so, wie man es von einem Gläubigen erwartet hätte. Er zog nicht einmal die Möglichkeit in Betracht, sein Sohn könnte ein Dieb sein, denn er wußte, daß er ein Gläubiger war, der Gott fürchtete. Außerdem wußte er, daß die Moral seiner anderen Söhne, weit von der Moral der Religion abwich, und so traute er ihnen nicht, sondern nahm an, daß ihr skrupelloses Handeln schuld war, daß sie ihn bewußt täuschten. Die Unterwerfung des Propheten Jakob unter den Willen Gottes ist ein weiteres Beispiel für die aufrechte Haltung, die einem Gläubigen ansteht. Obwohl er wußte, daß das, was seinem Sohn geschehen war, auf einem Irrtum beruhen mußte, wandte er sich sofort Gott zu und suchte Seine Hilfe. Er übte sich in Geduld und verlor nie die Hoffnung. Er hoffte sogar, Gott werde ihn schon bald wieder mit seinen beiden Söhnen vereinen.
Zu glauben, daß in jedem Ereignis etwas Gutes steckt, ist eine charakteristische Eigenschaft der Gläubigen. Es war etwas Gutes darin, daß die Brüder glaubten, der jüngste habe den Kelch gestohlen, denn so ließen den jüngsten Bruder in Ägypten zurück, ohne Joseph Schwierigkeiten zu bereiten.
Jakob kannte das Geheimnis, daß Gott alles zum Besten für die Gläubigen erschaffen hat. Das Beeindruckendste an seiner Haltung ist denn auch die Tatsache, daß er die Ereignisse niemals mit materiellen Ursachen in Verbindung brachte. Er dachte nicht in der abergläubischen Logik von Ursache und Wirkung, und er wußte, daß letzten Endes alles unter Gott’s Kontrolle steht. Das Beispiel zeigt, daß die Gläubigen ihre Hoffnung in Gott niemals aufgeben dürfen, ganz gleich, was geschieht und wie schwer die Umstände sind. Sie müssen immer voller Hoffnung sein und Gott um Hilfe bitten.
Jakob war in einer interessanten Position. Obwohl er wußte, daß Gott alles erschafft, sorgte er sich doch um Joseph und seinen Bruder. Es war seine Prüfung. Er litt so sehr, daß seine Augen weiß wurden vor Kummer, wie der Quran berichtet, was bedeutet, daß er erblindete. Seine Söhne warnten ihn, er könne krank werden oder gar sterben vor Kummer:
Und er kehrte ihnen den Rücken zu und sprach: "O mein Kummer um Joseph!" Und seine Augen wurden trübe vor Kümmernis; denn er war gramerfüllt. Sie sagten: "Bei Gott! Du hörst nicht auf, an Joseph zu denken, bis du darüber zerbrichst oder stirbst." Er sprach: "Siehe, ich trage meinen Kummer und Gram nur zu Gott, und ich weiß von Gott, was ihr nicht wisst. (Sure Joseph 12:84-86)
Die Verse besagen, daß Kummer ernsthafte Krankheit verursachen kann. Tatsächlich sagt Gott den Menschen im Quran an vielen Stellen, sich nicht zu sorgen oder traurig zu sein. Folgt man dem nicht, so treten sofort negative Konsequenzen ein. Abgesehen von den psychischen Folgen entstehen auch physische Folgen wie Ringe unter den Augen, Anspannung im Gesicht, graue Haare, körperlicher Zusammenbruch.
Im weiteren Verlauf der Geschichte, sendet Joseph die Söhne erneut aus, um ihm Nachrichten über Joseph und seinen Bruder zu bringen:
O meine Söhne! Zieht aus und erkundigt euch nach Joseph und seinem Bruder. Und verzweifelt nicht an Gottes Erbarmen. Siehe, an Gottes Erbarmen verzweifeln nur die Ungläubigen." (Sure Joseph 12:87)
Beachtenswert ist hier, daß Jakob sicher war, Joseph sei noch am Leben. Der Grund für diese Sicherheit war vielleicht, daß Gott ihm besonderes Wissen gegeben hatte. Wie der Quran offenbart, kann Gott den Propheten und seinen Boten besondere Wahrnehmungsfähigkeiten, außergewöhnliche Weisheit, vollendete Einsicht, überlegene Vorausschau und die Fähigkeit, künftige Ereignisse zu sehen, geben. Deswegen muß man Menschen mit solchen Fähigkeiten vertrauen und ihnen folgen.
Weiter betont der Vers, daß Gläubige unter allen Umständen hoffnungsvoll sein sollen. Jakob verlor nie die Hoffnung, daß er Joseph und seinen Bruder wiedersehen werde, und er riet seinen Söhnen, niemals die Hoffnung in Gott aufzugeben. Hoffnungslosigkeit ist ein Geisteszustand der Ungläubigen, nicht der Gläubigen.
Der Quran überliefert das Treffen zwischen Joseph und seinen Brüdern:
Und als sie bei ihm eintraten, sagten sie: "O du Großer! Wir und unsere Familie sind von Leid heimgesucht, und wir bringen nur wenig Tauschware mit. Aber gib uns dennoch volles Maß und seid freigebig zu uns. Siehe, Gott belohnt die Wohltäter." (Sure Joseph 12:88)
Der Prophet Joseph enthüllt den Brüdern seine Identität. Sie erinnerten sich, was sie getan hatten, gestanden ihre Tat ein und bereuten.
Was die Brüder hier unternehmen, ist besonders bemerkenswert. Nachdem sie Joseph gebeten haben, generös zu ihnen zu sein, rufen sie Gott an und erinnern daran, daß Gott die Wohltäter belohnt. Hier kommt die Heuchelei wieder zum Vorschein, denn obwohl die Brüder ein der Religion und dem Wohlgefallen Gottes zuwider laufendes Leben führen und Gott grundsätzlich vergessen bei ihren Handlungen, berufen sie sich auf ihn, wenn ihre Interessen auf dem Spiel stehen.
Die Tatsache, daß Gott diejenigen liebt, die Sein Wohlgefallen suchen, wird im Quran offenbart, und daran gibt es keinen Zweifel. Doch Menschen, die ignorieren, was Gott gefällt und die nur auf Ihn zählen, wenn ihre Interessen gefährdet sind, bilden sich trotzdem ein, sie könnten andere beeinflussen.
Im folgenden Vers gibt Joseph seine Identität preis, nach dem ihn die Brüder um Hilfe gebeten haben:
Er sprach: " Wisst ihr, was ihr Joseph und seinem Bruder in euerer Torheit angetan habt?" Sie fragten: "Wahrhaftig, bist du etwa Joseph?" Er antwortete: "Ich bin Joseph, und dies ist mein Bruder. Gott ist uns fürwahr gnädig gewesen. Siehe, wer gottesfürchtig und standhaft ist - Gott lässt den Lohn der Rechtschaffenen nicht verloren gehen." Sie sprachen: "Bei Gott! Gott hat dich vor uns ausgezeichnet. Wir aber waren wahrlich Sünder." Er sprach: " Wisst ihr, was ihr Joseph und seinem Bruder in euerer Torheit angetan habt?" Sie fragten: "Wahrhaftig, bist du etwa Joseph?" Er antwortete: "Ich bin Joseph, und dies ist mein Bruder. Gott ist uns fürwahr gnädig gewesen. Siehe, wer gottesfürchtig und standhaft ist - Gott lässt den Lohn der Rechtschaffenen nicht verloren gehen." Sie sprachen: "Bei Gott! Gott hat dich vor uns ausgezeichnet. Wir aber waren wahrlich Sünder." (Sure Joseph 12:89-91)
Ein christliches Bild von den Brüdern, die ihre Taten aus der Vergangenheit bedauern.
Die Brüder erkennen schließlich, daß sie es mit dem Propheten Joseph zu tun haben und daß er ihr Bruder ist. Sie bereuen ihr Handeln und geben ihren Fehler zu. Sie sehen ein, daß Gott Joseph erwählt hat und ihn über sie gesetzt hat. Hier wird ein wichtiger Punkt deutlich: Die Macht der Wahl liegt bei Gott. Der Quran beschreibt es mit den Worten:
"Und Dein Herr erschafft, was Er will, und wählt, was Ihm gefällt. Sie aber haben keine Wahl..." (Sure al-Qasas 28:68)
Der Prophet Joseph antwortete den Brüdern:
Er sprach: “Kein Vorwurf treffe euch heute! Gott möge euch verzeihen. Er ja ist der barmherzigste der Erbarmer. (Sure Joseph 12:92)
Trotz der Tatsache, daß Joseph die Möglichkeit gehabt hätte, sie zu bestrafen und sehr schlecht zu behandeln, tat er dies nicht, sondern sagte ihnen, er verdamme sie nicht. Er bat Gott sogar um Vergebung für sie und erinnerte sie daran, daß Er der gnadenvollste der Gnädigen ist.
Hier haben wir wieder ein leuchtendes Beispiel für alle Gläubigen. Unwissende geben sich in solchen Situationen ihrem Hass hin und sie agieren innerhalb der Logik der Rache. Gläubige dagegen bestehen nicht auf ihrem Recht, denn sie wissen, daß Vergebung ihrerseits Gott’s Wohlgefallen findet.
"Übe Nachsicht, gebiete das Rechte und meide die Unwissenden." (Sure al-A'raf: 199)
Sie vergeben übles Verhalten und zeigen überlegene moralische Tugenden, indem sie Böses mit Gutem vergelten.
Nach diesen Worten an die Brüder gab Joseph ihnen sein Hemd und bat sie, es ihrem Vater zu bringen.
Nehmt dieses Hemd von mir mit und legt es auf das Antlitz meines Vaters. Dann wird er wieder sehen. Dann bringt eure ganze Familie zu mir." Und als die Karawane aufgebrochen war, sprach ihr Vater: "Wahrlich, ich spüre Josephs Geruch, auch wenn ihr sagt, dass ich fasele." Sie sagte: "Bei Gott! Du verharrst in deinem alten Irrtum!" (Sure Joseph 12:93-95)
Dieser Vers zeigt, daß die Familie des Propheten Jakob den Fehler machte, zu glauben, Jakob habe sich geirrt. Hieraus kann eine weise Lehre gezogen werden: Es ist oft falsch, die Dinge nach ihrem äußeren Anschein zu beurteilen; denn Gott spricht im Quran von Handlungen, die getan werden, weil sie auf besonderem Wissen beruhen. Die Episode, in der Moses auf einen Diener Gottes mit besonderem Wissen trifft, erklärt dies sehr detailliert. Gott hat offenbart, daß Jakob besonderes Wissen besaß. Seine Familie verstand sein Verhalten nicht, daß auf diesem Wissen basierte, sondern sah die Dinge nur oberflächlich und glaubte, er sei im Irrtum.
Nachdem er das Hemd erhalten hatte, erinnerte Jakob seine Familie an sein besonderes Wissen, daß er von Gott erhalten hatte:
Und als nun der Freudenbote kam, warf er es über sein Gesicht, und schon konnte er wieder sehen. Er sprach: "Habe ich es euch nicht gesagt: Ich weiß wirklich von Gott, was ihr nicht wisst?" (Sure Joseph 12:96)
So bewahrheiteten sich die Worte Josephs; als sie das Gesicht des Vaters mit dem Hemd abwischten, verließ ihn die Krankheit und seine Augen konnten wieder sehen. So hatten sich auch die Worte Jakobs bewahrheitet. Er hatte immer gewußt, daß er Joseph wiedersehen würde. Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, das beide Propheten besonderes Wissen besaßen.