Können Sie sich erinnern, wann Sie das letzte Mal gebetet haben? Die Antworten der Leser mögen unterschiedlich ausfallen, doch was sie alle gemeinsam haben, ist, dass die meisten Menschen zu dieser oder jener Zeit beten. Tatsächlich können die Menschen zu Gott, unserem Herrn, zu jeder Zeit und an jedem Ort, um alles was sie wünschen, beten. Gott lenkt die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass die Menschen an jedem Ort, den sie wünschen, beten und Ihn erinnern können:
Die da Gottes gedenken im Stehen und Sitzen und Liegen und über die Schöpfung der Himmel und der Erde nachdenken: "Unser Herr, Du hast dies nicht umsonst erschaffen! Preis sei Dir! Bewahre uns vor der Feuerspein! Unser Herr, siehe, wen Du ins Feuer führst, den stürzst Du in Schande; und die Ungerechten haben keine Helfer. Unser Herr, siehe, wir hörten eine Stimme, die zum Glauben riet: "Glaubt an eueren Herrn!", und so glaubten wir. Unser Herr, vergib uns unsere Sünden und decke unsere Missetaten zu, und lass uns mit den Frommen hinscheiden. Unser Herr, gib uns, was Du uns durch Deine Gesandten verheißen hast, und stürze uns am Tag der Auferstehung nicht in Schande. Siehe, Du brichst Dein Versprechen nicht." Und ihr Herr antwortet ihnen: "Siehe, Ich lasse keine Tat von euch verloren gehen, sei es von einem Mann oder einer Frau. Die einen von euch stammen ja von den anderen. Und diejenigen, die da auswanderten und aus ihren Häusern vertrieben wurden und auf Meinem Wege litten und kämpften und fielen - wahrlich, Ich will ihre Missetaten vergeben und wahrlich, Ich will sie in Gärten führen, durcheilt von Bächen, als Lohn von Gott, und Gott- bei Ihm ist der schönste Lohn. (Sure 3:191-195 - Al Imran)
Gott beschreibt im Quran die Art Gebet, die Er am meisten liebt; sie wird im folgenden erklärt:
Wenn Sie in Not sind und verzweifelt sind und daher das Bedürfnis verspüren, zu Gott zu beten, wo würden Sie gerne beten? Sicher wären die nächtliche Abgeschlossenheit des eigenen Zimmers oder ein anderer sehr ruhiger Ort, der Ihnen das Gefühl von Gottes Nähe gibt, das was Sie suchen würden.
Spirituelle Lauterkeit im Gottesdienst kann am Besten erlangt werden an einem Ort, der die ungeteilte Aufmerksamkeit des Betenden sicherstellt. Wer das Bedürfnis verspürt, zu Gott zu beten, um seine Fehler zu korrigieren, zieht es vor, allein zu sein im stillen Gebet. Das Gebet des Propheten Zacharias, in dem er um einen Nachkommen bat, sind ein Beispiel für ein stilles Gebet.
Als er seinen Herrn im Verborgenen anrief, sprach er: "Mein Herr, siehe, mein Gebein ist gebrechlich und mein Haupt schimmert grau, aber nie blieb mein Gebet zu Dir unbeantwortet. (Sure 19:3-4 Maria)
Wie weiter oben beschrieben ist das Gebet das Eingeständnis der Schwäche und Ohnmacht vor Gottes unendlicher Macht und die an Ihn gerichtete Bitte um Hilfe. Deshalb verlangt das Gebet die absolute Erkenntnis und Akzeptanz der eigenen Schwäche und Armut vor Gott. Mit Sicherheit wird man dieses Bewusstsein nicht erreichen, wenn man unaufrichtig ist. Gott verlangt im Quran von den Gläubigen, bescheiden und im Stillen zu beten:
Rufet eueren Herrn in Demut und im Verborgenen an. Siehe, Er liebt die Maßlosen nicht. (Sure 7:55 - al- A'raf)
Und gedenke deines Herrn in deinem Herzen in Demut und Furcht und ohne laufe Worte, am Abend wie am Morgen. Und sei keiner der Achtlosen. Siehe, diejenigen, die deinem Herrn Nähe sind, sind nicht zu stolz, Ihm zu dienen. Sie preisen Ihn und werfen sich vor Ihm nieder. (Sure 7:205-206 - al-A'raf)
Gott lenkt unsere Aufmerksamkeit im Quran auf das einsame Gebet, dass mit einem tiefen Gefühl der dringenden Notwendigkeit verrichtet wird. Somit können die Kompliziertheit der äusserlichen Ausführung, die Zahl der Teilnehmer, oder die Lautstärke der Stimme des Betenden unter gar keinen Umständen Kriterien sein für ein erfolgreiches Gebet.
Man muss wissen: Eine laute Stimme beim Gebet trägt nicht dazu bei, dass Gott das Gebet erhört. Gott, der Allwissende, kennt selbst unsere innersten Gedanken, und Er ist uns näher als unsere Halsschlagader. Deshalb ist es nutzlos, die Stimme zu erheben, um von unserem Herrn gehört zu werden, Der uns ohnehin nahe ist. Man sollte eher still beten, oder in einer Lautstärke, die nur wir selbst hören können.
Die Verse unten lehren uns, dass wir sowohl im Gebet, als auch im alltäglichen Tun mit gemässigter Stimme sprechen sollen:
Mäßige deinen Schritt und dämpfe deine Stimme. Siehe, die hässlichste Stimme ist die Stimme von Eseln. (Sure 31:19 - Luqman)
Sprich: "Ruft Gott an oder ruft den Erbarmer an, wir ihr Ihn auch nennen mögt: Sein sind die schönsten Namen. Und bete nicht zu laut und auch nicht zu leise, sondern halte den Weg dazwischen ein." (Sure 17:110 - al-Isra)
Wie die Verse offenbaren, ist die im Quran beschriebene Form des Gottesdientes frei von Pathos und Prahlerei. Das Gebet wird nicht verrichtet, um andere zu beeindrucken: Der einzige Zweck ist es, seine Pflicht gegenüber dem Schöpfer zu erfüllen. Der Quran betont diesen Punkt ganz besonders. Die Verse über das Gebet legen Wert darauf, dass das Anrufen Gottes jemandes Religion aufrichtig zu Seiner Religion macht, was bedeutet, dass man das Gebet allein deswegen verrichtet, um Gottes Wohlgefallen zu erlangen, zu keinem anderen Zweck. Verse wie die folgenden belegen dies:
Er ist der Lebendige. Es gibt keinen Gott außer Ihm. Darum ruft Ihn an in aufrichtigem Glauben. Alles Lob gebührt Gott, dem Herrn der Welten! (Sure 40:65 - Ghafir)
So ruft Gott an, lauter im Glauben, auch wenn es den Ungläubigen zuwider ist. (Sure 40:14 - Ghafir)
Sprich: "Mein Herr hat Gerechtigkeit befohlen. So wendet euer Angesicht in jeder Moschee (zu Ihm) und ruft Ihn in lauterem Glauben an. So, wie Er euch schuf, kehrt ihr (zu Ihm) zurück. (Sure 7:29 - al-A'raf)
Die Religion gehört Gott allein. Alle Formen des Gottesdienstes werden ausgeführt, Gottes Wohlgefallen zu erlangen. Der einzige Weg, auf dem das möglich ist, ist die Verrichtung unseres Gebets in der Form, die Gott beschreibt.
Die ihr Gebet nicht verrichten oder keine andere Form des aufrichtigen Gottesdienstes für Gott ausüben, sind jene, die sich zur Schau stellen, und sie sind in einem grossen Wahn befangen. Gott sagt in einem Vers:
Wehe denn den Betenden, die in ihren Gebeten nachlässig sind, die nur dabei gesehen werden wollen. (Sure 107:4-6 - al-Maun)
Das Entscheidende beim Gebet ist der feste Glaube an Gott. In Situationen der Verzweiflung haben die Menschen keinerlei Zweifel an der Existenz Gottes und Seiner Hilfe. Doch der Mensch sollte auch in Zeiten der Zufriedenheit beim Gebet Gottes Existenz fühlen, Seine Macht und Grösse. Nicht nur im Gebet, sondern in jedem Augenblick des Lebens sollte der Gläubige dieses Bewusstsein bewahren. In jedem Augenblick muss er Gottes Existenz und Nähe fühlen und beten, denn nur jemand, der sich Gottes Existenz bewusst ist, erkennt Sinn und Bedeutung des Gebets. Das Gebet ist ein intimes persönliches Band zwischen den Menschen und Gott. Durch das Gebet drücken die Menschen all ihre Sorgen und Wünsche an Gott aus, und sie flehen Ihn an, ihnen beizustehen. Dafür antwortet Gott auf die Gebete Seiner Diener.
Das Gebet im Sinne des Quran kann auf keinen Fall reduziert werden auf einige wenige Rituale. Wie der Vers "... gedenkt Gottes, sei es stehend, sitzend oder liegend." (Sure 4:103 - an-Nisa) besagt, kann man Gott zu jeder Zeit und unter allen Bedingungen erinnern und zu Ihm beten, ohne notwendigerweise ein besonderes Ritual auszuführen. Denn was zählt, sind nicht die äussere Art der Ausführung, sondern jemandes Aufrichtigkeit.
Wer das missversteht, nimmt dem Gebet seine eigentliche Bedeutung und es wird wahrgenommen als eine Art Magie oder Zauber. Wir können dies an abergläubischen Praktiken mancher Unwissender beobachten, die Tücher an Bäume binden oder ins Wasser blasen. Man muss daran erinnern, dass Aberglaube das Gegenteil des Quranischen Denkens ist. Anstatt direkt zu Gott zu beten und ihre Bedürfnisse von Ihm zu erbitten, benutzen diese unwissenden Menschen abergläubische Rituale oder Symbole und beten mit deren Hilfe. Während sie dies tun, sind sie sich nicht bewusst, Wen sie anrufen.
Sie schreiben den Objekten, die sie anbeten, übernatürliche Kräfte zu, doch sie erkennen nicht das Wesen dieser Macht. Dies umfasst abergläubische Praktiken wie den Besuch von Gräbern und Beten zu den Toten, um von ihnen Hilfe zu erbitten, dabei sollten Friedhofsbesuche uns an den Tod und an Gottes Macht erinnern.
Der Gläubige, der Gottes Gebot befolgt, das besagt: "So gedenke des Namens deines Herrn und widme dich Ihm voll und ganz." (Sure 73:8 - al-Muzzammil), wendet sich an Gott allein, unterwirft sich und betet Ihn an.
Im Quran spricht Gott von Sich als "... der Barmherzigste der Barmherzigen." (Sure 21:83 - al-Anbiya). Auch wird klargestellt, dass Gott dem vergeben wird, der Böses getan hat, aber anschliessend bereut (Sure 4:110 - an-Nisa). Die Menschen sollten über diese Eigenschaft nachdenken, hoffen und beten. Ganz gleich, wie schwer die Sünde war, die ein Mensch begangen haben mag, und wie schlimm die Gewissensbisse sind, die er darüber empfinden mag, es ist kein Grund, an Gottes Vergebung zu zweifeln. Die seelische Verfassung, in der sich jemand befindet, der irrte und eine Sünde beging darf also niemals zum Hindernis für ein Gebet um Vergebung werden, denn Gott stellt im Quran ausdrücklich fest, dass nur Ungläubige die Hoffnung in Gottes Gnade verlieren: "... und zweifelt nicht an Gottes Erbarmen. Siehe, an Gottes Erbarmen zweifeln nur die Ungläubigen." (Sure 12:87 - Joseph)
Andererseits ist niemand vor der Strafe in der Hölle sicher. In der Tat warnt Gott die Menschen davor, wenn Er sagt: Denn vor der Strafe deines Herrn ist niemand sicher. (Sure 70:28 - al-Ma'arij). Daher sollte jeder, Gott soviel Gottesfurcht entgegenbringen, wie er kann. Die Menschen, deren Leben eine Prüfung ist, sind immer anfällig für Satan’s listige Täuschungen, und daher gehen sie wahrscheinlich fehl und verlassen den richtigen Weg. Niemandem ist ein Platz im Paradies sicher. Das erzeugt die Furcht in den Menschen, Gottes Wohlgefallen nicht zu erlangen, obwohl sie auf Seine Gnade hoffen.
Eine Eigenschaft des wahren Gläubigen, die ihn von allen anderen unterscheidet, ist daher die Gottesfurcht, denn ein Ungläubiger zweifelt sogar an der Existenz der Hölle. Gläubige hingegen sind sich der Existenz der Hölle voll und ganz bewusst, und sie empfinden sie als ernsthafte Drohung. Da sie felsenfest an den Tag des Gerichts glauben, empfinden sie die allergrösste Furcht. Nur jemand, der an Gott glaubt und den Hochmut vermeidet, wird in seiner Lebensführung von dieser Furcht beeinflusst. Er hat keinerlei Zweifel an der Existenz und der Härte der Höllenqualen, und er nimmt niemals eine Haltung ein, geschweige denn benimmt er sich in einer Weise, die das Risiko bergen würde, in die Hölle geworfen zu werden. Er strebt ausschliesslich nach dem Leben im Jenseits, mit seiner unendlichen Schönheit und unternimmt jede Anstrengung, sich von den Qualen fernzuhalten. Die Furcht der Gläubigen drückt sich in ihren Gebeten aus.
Darum finden wir die Affekte Furcht und Hoffnung nebeneinder im Quran. Wenn jemand die Qualen der Hölle im Gebet nicht fürchtet, so handelt es sich um einen grundsätzlichen Denk- und Verständnisfehler. Genauso eifrig, wie er für das Eingehen in das Paradies betet, muss er für die Bewahrung vor der Hölle beten. Durch die Furcht vor der Hölle erlangt er die Hoffnung auf das Paradies. Folgende Verse drücken dies aus:
Und stiftet auf Erden kein Verderben, nachdem in ihr Ordnung herrscht. Und ruft Ihn an in Furcht und Verlangen. Siehe, Gottes Barmherzigkeit ist denen Nähe, die Gutes tun. (Sure 7:56 - al-A'raf)
Sie erheben sich vom Nachtlager, um ihren Herrn in Fürcht und Verlangen anzurufen, und spenden von Unseren Geben. (Sure 32:16 - as-Sajda)
Furcht und Hoffnung sind die beiden wesentlichen Gefühlslagen, die dem Gebet, so wie es im Quran beschrieben ist, angemessen sind. Die genaue Beschäftigung mit dem Quran enthüllt die vitale Bedeutung, die diese beiden Affekte für alle Formen des Gebets und für jeden Moment des Lebens haben.
Wir müssen daran erinnern, dass das Gebet eine wichtige Pflicht gegenüber Gott ist und gleichzeitig ein Mittel, dass uns helfen wird, unser nächtes Leben zu gewinnen, denn Gott sagt im Quran, dass das Ende derer, die es versäumen, Gott anzubeten, die ewige Höllenqual sein wird.
Und euer Herr spricht: "Ruft mich an, Ich werde auf euch eingehen! Diejenigen aber, welche zu stolz dafür sind, Mich anzurufen, werden gedemütigt in die Hölle eintreten". (Sure 40:60 - Ghafir)
Gottes Namen helfen uns, Ihn kennenzulernen. Gott ist ar-Rahim, Der Allgnädige. Er ist al-Haqim, Der, Der alles unter Seiner Kontrolle hat. Er ist al-Razzaq, Der Eine, Der für die Menschen sorgt… Die Menschen können Gottes Grösse, Nähe und Macht besser verstehen, wenn Sie Ihn mit diesen Namen titulieren. Wenn man Ihn zum Beispiel um Nahrung bittet, kann man Ihn mit Seinem Namen al-Razzaq anreden. Gott erwähnt im Quran, dass wir unter Verwendung jeder Seiner Namen zu Ihm beten können.
Sprich: "Ruft Gott an oder ruft den Erbarmer an, wie ihr Ihn auch nennen mögt: Sein sind die schönsten Namen. Und bete nicht zu lauf und auch nicht zu leise, sondern halte den Weg dazwischen ein." (Sure 17:110 - al-Isra)
Und Gott gehören die schönsten Namen. Darum ruft Ihn mit ihnen an und verlasst jene, welche Seine Namen missbrauchen. Wahrlich, sie sollen für ihr Tun belohnt werden! (Sure 7:180 - al-A'raf)
Jemand, der Gottes Attribute kennt, versucht nicht, seine Fehler vor Gott zu verbergen, denn Ihm ist bewusst, dass Er sie ohnehin alle kennt, ob Er sie nun verbirgt oder nicht. Wissend, dass das Verbergen von Missetaten dem Gläubigen nur Unheil bringt, bereut er und sucht Vergebung für alle seine Sünden. So beginnt das Gebet des Propheten Abraham denn auch wie folgt:
O unser Herr! Siehe, Du weißt, was wir verbergen und was wir offen tun; denn nichts auf Erden und im Himmel ist vor Gott verborgen. (Sure 14:38 - Abraham)
Der Gläubige weiss, dass Gott alles unter Kontrolle hat, ganz gleich, was sein Wunsch auch sein mag, und dass Gott nur zu befehlen braucht, “Sei!” und es wird sein. Dies berücksichtigend, fühlt er keine unüberwindbare Barriere, Gottes Segen zu bekommen, und er überwindet alle Not und Mühsal durch das Gebet.
Abgesehen davon, Gott um Hilfe zu bitten und seine Bedürfnisse mitzuteilen, ist das Gebet auch ein Mittel, Gott zu erinnern und zu preisen. Der Quran gibt uns Beispiele für Lobpreisungen Gottes in den Gebeten der Propheten, die Seine Namen in ihnen äusserten:
Und sprach: "Oh Herr! Vergib mir! Und gib mir ein Reich, wie es keinem nach mir zukommt. Du bist ja fürwahr der Freigebige." (Sure 38:35 - Sad)
Unser Herr, lass unsere Herzen nicht mehr irregehen, nachdem Du uns geleitet hast, und gib uns aus Deiner Gnadenfülle! Siehe, Du bist der Schenkende. (Sure 3:8 - Al Imran)
Er sprach: "Mein Herr, vergib mir und meinem Bruder und lass uns eintreten in Deine Barmherzigkeit; denn Du bist der Barmherzigste der Barmherzigen." (Sure 7:151 - al-A'raf)
Da sprach Zacharias zu seinem Herrn: "Mein Herr, gib mir von Dir gute Nachkommen; Du erhörst ja die Gebete!" (Sure 3:38 - Al Imran)
Im Gebet erinnert man Gott, beichtet seine Sünden und drückt seine Bedürfnisse aus. Eine von Herzen kommende Aufrichtigkeit ist ganz wesentlich, damit das Gebet in diesem Sinn seine Bedeutung erlangt.
Die Menschen wiederholen im Gebet Standartformeln, weil sie, anstatt einen aufrichtigen Akt des Gottesdienstes auszuführen, sie das Gebet als eine Art Ritual, Brauch oder Gewohnheit verstehen. Wer Gottes Grösse begreift, Seine Strafe fürchtet und begierig ist, Sein Wohlgefallen zu erlangen, wird sich Ihm mit von Herzen kommender Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit zuwenden; und wer sich Gott unterwirft, Ihn als einzigen Freund und Helfer nimmt, der wird Ihm seine Sorgen und Nöte anvertrauen, wie im Falle des Propheten Jakob, der sagte: … "Siehe, ich trage meinen Kummer und Gram nur zu Gott…" (Sure 12:86 - Joseph). So wird er sein Leid und seine Bitten allein Gott vortragen und nur von Ihm Hilfe und Linderung erbitten.
In einem Gebet, dem diese Aufrichtigkeit fehlt – und das daher nur als obligatorisches Ritual oder magischer Zauber verrichtet wird – ist der Gebrauch von Standardformeln unvermeidlich. So wird das Gebet nur durch Äusserung einiger wiederkehrender Phrasen verrichtet, ohne dass über deren Bedeutung nachgedacht wird. Doch das Gebet ist das direkte Band zwischen dem Menschen und Gott. Jeder hat seine eigenen Probleme, Anforderungen, Wünsche und Seelenverfassung.
Die Gebete, die der Quran zitiert, besitzen einen ungekünstelten Charakter. Wenn wir die Gebete der Propheten allgemein betrachten, so finden wir grundsätzlich direkte, von Herzen kommende Formulierungen, die ihre wahre seelische Verfassung ausdrücken.Der Mensch ist von Natur aus ungeduldig, eine Tatsache, die in diesem Vers festgestellt wird:
"Der Mensch ist ein ungeduldiges Geschöpf. Ich werde euch Meine Zeichen zeigen, doch bedrängt mich nicht in eurer Ungeduld." (Sure 21:37 - al-Anbiya)
Wenn der Mensch ungeduldig ist, kann er durchaus Dinge tun, ohne die Folgen seines Verhaltens zu bedenken. Solche Eile zeigt sich gewöhnlich an der Begierde, weltliche Genüsse zu erlangen.
Die Menschen fühlen einen inneres Verlangen nach dem Paradies und Gottes Segnungen. Ein Grund, warum diese Segnungen ihre Gegenstücke in diesem Leben haben, ist, damit die Menschen das Paradies besser begreifen können und somit der Wunsch danach geweckt wird. Doch die Menschen in ihrer Hast und dem Wunsch, diese Segnungen zu erlangen, wollen ihre Wünsche sofort erfüllt bekommen. Selbst beim Gebet ist diese Eile manchmal zu erkennen. Die Menschen erwarten eine sofortige Antwort auf ihre Gebete. Wenn jemand das Gefühl bekommt, sein Gebet werde nicht beantwortet, kann er zu dem falschen Schluss kommen, es sei nicht erhört worden. Mit der Zeit wird die Ungeduld zur Hoffnungslosigkeit, sogar bis zu dem Punkt an dem mit dem Beten generell aufgehört wird. Unser Prophet hat diesen Punkt angesprochen, als er sagte: "Eure Bittgesuche werden beantwortet werden, solange Ihr nicht ungeduldig werdet und sagt: Ich habe zu meinem Herrn gebetet, doch Er hat nicht geantwortet. " (Al-Bukhari)
Wir müssen in Erinnerung behalten, dass Gott am Besten weiss, was gut für uns ist. Im Quran wird das in dem folgenden Vers erwähnt:
"… doch vielleicht verabscheut ihr etwas, das gut für euch ist, und vielleicht liebt ihr etwas, das schlecht für euch ist. Gott weiß es, ihr aber wisst es nicht." (Sure 2:216 - al-Baqara)
Deshalb muss der Diener Gottes zufrieden sein mit dem, was immer herauskommt nach einem Bittgebet, er muss wissen, dass die Entscheidung bei Gott allein liegt. Nicht alles, was wir wünschen, mag gut für uns sein. Deshalb antwortet Gott auf unsere Gebete nicht notwendigerweise so, wie wir es erwarten, sondern in der Weise, die Er für die angemessenste hält. Es kann durchaus sein, dass Gott das Gebet eines Gläubigen nicht in der Weise beantwortet, wie dieser es sich gewünscht hat, weil Er wünscht, dass die Weisheit dieses Gläubigen grösser werden möge, oder weil Er wünscht, dieser Gläubige möge seinen Charakter zum Besseren ändern, bevor das Gebet erhört wird. Es kann auch sein, dass Gott das Gewünschte durch etwas Besseres ersetzen wird und bis dahin die Geduld und Treue des Bittstellers prüft. Gott verlangt von uns ausdrücklich, standhaft zu sein im Gebet:
Und nehmt eure Zuflucht zur Geduld und zum Gebet. Siehe, dies ist fürwahr schwer, außer für die Demütigen. (Sure 2:45 - al-Baqara)
Gott rät uns im Quran, unbeugsam zu sein im Gebet. Das Gebet ist ein Akt des Gottesdienstes, und Geduld im Gebet ist wichtig für den Bittsteller. Ein entschlossenes Gebet in Zeiten der Not ist ein Zeichen, dass man eine Antwort auf das Gebet dringend braucht und wichtiger noch, es bringt einen näher zu Allah. Es vergrössert Weisheit und Willen des Gläubigen und es verbessert den Charakter. Ein Gläubiger, der auf seinem Gebet beharrt, bekommt die Antwort auf das Gebet in Form einer Seele, die Gott näher ist, und das ist eine viel wertvollere Antwort, als viele der Dinge, um die man bitten kann.
In manchen Fällen beteten die Propheten jahrelang beharrlich zu Gott und am Ende wurde ihre Gebete beantwortet: das Wiedersehen Jakobs mit seinem Sohn Joseph nach vielen Jahren, Joseph’s Freilassung aus dem Gefängnis nach vielen Jahren, dessen Beförderung zum Chef des Schatzamtes, die Art und Weise, wie Gott Hiob erlöste, der klaglos gelitten hatte, all das sind herausragende Beispiele für Geduld.
Gott antwortete auf die Gebete dieser edlen Menschen erst nach einer gewissen Zeit, und zwar zu einem ganz bestimmten Zweck: Er vergrösserte ihre Weisheit, Er stärkte ihren Charakter, ihre Geduld und Aufrichtigkeit, und Er machte sie zu Dienern, würdig, das Paradies zu erlangen.
Es bekommt dem Gläubigen also nicht gut, wenn er ungeduldig auf eine Antwort auf sein Gebet wartet. Die einzige Verantwortung des Muslims ist es, Gottes Diener zu sein, und er muss damit zufrieden sein, was ihm vorherbestimmt ist. Ein wahrer Gläubiger muss seine Gebete als Teil dieser Verantwortung verrichten.
Sollten wir im Gebet um weltliche Genüsse bitten, oder sollten wir uns einzig auf das Leben im Jenseits konzentrieren?
Gott betrachtet beide Arten Bittgesuche als gut für den aufrichtig Gläubigen. Ohne Zweifel ist das Leben in dieser Welt kurz, und es ist dazu bestimmt, zu enden. Gott gibt den Menschen Seine Segnungen, damit sie Ihm dankbar sein und Ihm näher kommen können. Eine Segnung bringt das Paradies in Erinnerung und lässt den Gläubigen an Gottes Namen denken und er wird Ihn preisen. Aus diesem Grund empfiehlt Gott den Gläubigen, sowohl für dieses Leben als auch für das kommende Leben zu beten. Er warnt sie aber ausdrücklich, alle Aufmerksamkeit auf die Verlockungen dieses vergänglichen Lebens zu richten. Im Quran wird erwähnt:
... Manche Menschen sagen lediglich: "Unser Herr, gib uns Gutes in dieser Welt!" Sie sollen am Jenseits keinen Teil haben. Andere unter ihnen sprechen: "Unser Herr, gib uns im Diesseits Gutes und im Jenseits Gutes und hüte uns vor der Strafe des Feuers." Diese sollen ihren Anteil haben, ihrem Verdienst entsprechend, und Gott ist schnell im Rechnen. (Sure 2:200-202 - al-Baqara)
Der Mensch fragt nach Dingen, die seine eigene Welt betreffen. Sein Streben und seine Lebensinteressen legen seine Art zu beten fest. Die sich Gott hingegeben haben, drücken in ihren Gebeten zusätzlich den Wunsch aus, dass sie die ihnen von Ihm auferlegten Pflichten erfüllen wollen.
Jemandes Ansprüche an dieses Leben mögen erfüllt werden. Doch das ist vielleicht nicht gut für ihn. Er bittet um Geld, doch das Geld kann ihn irregehen lassen, denn in einer Umgebung, in der materielle Werte vergöttert werden, wird nahezu jeder sich in einer Weise verhalten, die den Grundsätzen der Religion widerspricht.
Der fragliche Wunsch ist ein weltlicher, und er kann ohne weiteres erfüllt werden in dieser Welt. Doch das, was er im Jenseits vorfinden wird, muss nicht unbedingt seinen Erwartungen entsprechen. Einige der Verlockungen dieser Welt werden in folgendem Vers beschrieben:
Den Menschen ist es eine Lust, sich an Frauen und Kindern, aufgehäuften Schätzen aus Gold und Silber, Rassepferden, Herden und Ackerland zu erfreuen. Doch all das sind nur Genüsse des Lebens im Diesseits. Doch Gott – bei Ihm ist die schönste Heimstatt. (Sure 3:14 - Al Imran)
Natürlich bietet es so manchen Vorteil, diese Ziele im Leben zu erreichen, doch jeder dieser weltlichen Genüsse kann sich am Ende im Jenseits in einen Verlust verwandeln. Andererseits kann – wie die Beispiele der Propheten uns zeigen – ein weltlicher Vorteil, wenn er in der richtigen Absicht erbeten wird, auch ein Gewinn im Jenseits sein.
Diese edlen Menschen erbaten die temporären Gewinne dieser Welt, materielle Güter, Kinder und einen beneidenswerten Status in der Gesellschaft nur, um Gottes Wohlgefallen zu erlangen. Keiner der Propheten bat um Kinder wegen des Privilegs der Fortführung ihrer Linie: Sie wollten Kinder nur zu dem Zweck, dass diese nach ihnen zu Führern der Völker des Glaubens werden sollten.
Auch wenn jemand viele Kinder wünscht, um mit ihnen zu prahlen, sein Gefühl der Überlegenheit durch sie zu pflegen, kann Gott diesen Wunsch erfüllen. Doch wegen der mit diesem Wunsch verbundenen Prahlerei und Überheblichkeit, entfernt sich dieser Mensch von Gott, und er wird im Jenseits keinerlei Belohnung für diesen Wunsch erhalten.
Ein Gebet, dass sich ausschliesslich an weltlichen Genüssen orientiert, ist also nicht nur nicht gut für den Gläubigen, sondern stellt auch eine Form von Unaufrichtigkeit seinerseits dar. Das Hauptziel des Gläubigen ist das Paradies. Im Gebet darf der Gläubige daher nicht den wirklichen Ort des Daseins aus den Augen verlieren, sondern er muss all seine Aufmerksamkeit auf das Leben im Jenseits richten. Deswegen muss er um Dinge für die Belange dieser Welt und für die Belange des Jenseits beten.
In den Gesellschaften der Unwissenden sehnen sich die Menschen nach den Besten von allen Dingen: das beste Auto, das beste Haus, viel Geld, eine schöne Ehefrau etc. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sie eifersüchtig mit ihren besten Freunden und ihren nächsten Verwandten streiten.
Die nach den Werten des Quran leben, teilen was sie besitzen, mit anderen. Gläubige verstehen, dass ihnen ihr Besitz in dieser Welt nicht wirklich gehört, dass er von Gott kommt; also teilen sie ihn mit anderen, wenn sie können. Im Quran weist Gott auf diesen Punkt hin, wenn Er über die Eigenschaften der Gläubigen spricht.
Diejenigen, die vor ihnen hier (in Medina) im Glauben zu Hause waren, lieben die, welche zu ihnen auswanderten, und fühlen in sich kein Verlangen nach dem, was ihnen gegeben wurde. Sie ziehen (die Flüchtlinge) vor, auch wenn sie selbst bedürftig sind. Wer so vor seiner eigenen Habsucht bewahrt ist - dem ergeht es wohl. (Sure 59:9 - al-Hashr)
Dieses Vertrauen, das Gläubige füreinander empfinden und die Bedeutsamkeit des Strebens nach Gutem für den Anderen wird in zahlreichen weiteren Versen erwähnt:
Und die Gläubigen, Männer und Frauen, sind einer des anderen Freund. Sie gebieten das Rechte und verbieten das Unrechte und verrichten das Gebet und zahlen die Steuer und gehorchen Gott und Seinem Gesandten. Sie - wahrlich, Gott erbarmt sich ihrer. Siehe, Gott ist mächtig und weise. (Sure 9:71 - at-Tawba)
Die Gemeinschaft der Gläubigen manifestiert sich auch in deren Gebeten, was dadurch geschieht, dass Gläubige oftmals "wir" anstatt "ich" sagen, wenn sie sich an Gott wenden. Der Grund dafür ist, dass der Gläubige im Gebet nicht nur für sich selbst, sondern auch für alle anderen Gläubigen bittet. Ohne Zweifel kann man Gott auch aus ganz persönlichen Gründen um etwas bitten. Man kann um Gottes Hilfe bitten, wenn man bereut oder wenn man die Höllenqualen vermeiden will oder am Tag des Gerichts nicht gedemütigt werden will. Bittet man aber um diese Dinge auch für andere Gläubige, dann besitzt man eine Eigenschaft, die im Quran gepriesen wird, wie die folgenden Verse offenbaren:
"... Herr, strafe uns nicht für Vergesslichkeit und Fehler. Oh Unser Herr, bürde uns keine Last auf, wie Du sie denen vor uns aufgebürdet hast. Oh Unser Herr, lass uns nicht tragen, wozu unsere Kraft nicht ausreicht, und vergib uns und verzeihe uns und erbarme Dich unser! Du bist unser Beschützer. Und hilf uns gegen das Volk der Ungläubigen." (Sure 2:286 - al-Baqara)
Oh Herr, lass unsere Herzen nicht mehr irregehen, nachdem Du uns geleitet hast, und gib uns aus Deiner Gnadenfülle! Siehe, Du bist der Schenkende. Herr, Du wirst gewiss die Menschen an einem Tage versammeln, daran ist kein Zweifel. Wahrlich, Gott bricht Sein Versprechen nicht. (Sure 3:8-9 - Al Imran)
Herr, wir glauben an das, was Du herabgesandt hast, und folgen dem Gesandten. Darum zähle uns zu den Bezeugenden." (Sure 3:53 - Al Imran)